Mit Ausnahme des Krisenjahres 2009 zeigte die Entwicklung der weltweiten Stahlrohrproduktion im letzten Jahrzehnt nur in eine Richtung: nach oben. Dieser Trend scheint vorläufig gestoppt. Nach dem nur marginalen Wachstum 2015 ging im letzten Jahr die Produktion weltweit nach Angaben der Wirtschaftsvereinigung Stahlrohre e. V. in Düsseldorf um drei Prozent auf 164 Mio. Tonnen zurück. Der Grund dafür lag in der im Vergleich zum Vorjahr deutlich niedrigeren Stahlrohrproduktion in Nordamerika, der GUS und in China. Deutlich besser schnitten die europäischen Stahlrohrhersteller ab. EU-weit konnte die Stahlrohrindustrie ihre Produktion um vier Prozent auf 13 Mio. Tonnen steigern. In Deutschland nahm die Produktion gegenüber dem Vorjahr sogar um fünf Prozent auf 2,6 Mio. Tonnen zu.
Der weltweite Produktionsrückgang war hauptsächlich auf die geringeren Mengen bei nahtlosen Stahlrohren und geschweißter Großrohren über 16“ (entsprechend 406 Millimeter) Außendurchmesser zurückzuführen. Dagegen fertigten die Stahlrohrwerke 2016 global annähernd die gleiche Menge an geschweißten Stahlrohren bis 16“ Außendurchmesser wie im Vorjahr. Während die EU-Produzenten in diesem Segment jedoch zum dritten Mal in Folge leicht zulegen konnten, blieb die Produktion in den USA deutlich hinter dem Vorjahreswert zurück.
Die anhaltende Investitionszurückhaltung der Energieindustrie nennt der Verband als Ursache für die in allen Regionen der Welt beobachtete Einbuße bei der Produktion nahtloser Stahlrohre. Besonders stark war der Rückgang gegenüber dem Vorjahr in den USA mit 20 Prozent. Dagegen lag die Produktion der EU-Hersteller lediglich um fünf Prozent unter dem Vorjahreswert. Die Hersteller von Großrohren verzeichneten weltweit ein Produktionsminus von acht Prozent. Besonders betroffen waren in diesem Segment die Werke in Nordamerika und in den GUS-Staaten, wohingegen die EU-Produzenten nach dem sehr schwachen Vorjahr ihre Produktion um sechs Prozent steigern konnten.
China baut dominierende Stellung weiter aus
Unübersehbar ist der anhaltende Trend zur wachsenden Dominanz Chinas im Stahlrohrmarkt. So ist laut Stahlrohrverband die weltweite Rekordproduktion von 168,8 Mio. Tonnen im Jahr 2015 ausschließlich auf die um rund 11 Prozent gestiegene Produktion der chinesischen Hersteller zurückzuführen. Der Anteil Chinas an der weltweiten Stahlrohrproduktion stieg damit auf 58 Prozent. Der Zuwachs resultierte vor allem auf die deutliche Zunahme der Produktion „kleiner“ geschweißter Stahlrohre bis 406 mm Außendurchmesser in der Volksrepublik. Freilich konnten in diesem Marktsegment die EU-Hersteller ihre Produktion ebenfalls ausweiten. Auch die Großrohrproduktion legte 2015 weltweit zu, wobei hier außer den Produktionsausweitungen in China auch die in der GUS und in den USA zu Buche schlugen.
Ein schlechtes Jahr war 2015 besonders für Fracking-Unternehmen in Nordamerika, die nach Verbandsaussagen vielfach die Produktion einstellen mussten. Grund war der Einbruch der Rohölpreise, die zum Jahresende sogar die Werte des Krisenjahres 2008 unterschritten. Denn aufgrund des Rohöl-Überangebotes auf den Weltmärkten stellte die Energieindustrie die Investitionstätigkeit weitgehend ein. Dass die Preise für Erdgas ebenfalls weiter zurückgingen, war in dieser Situation keine Hilfe für die Zulieferindustrie, deren Umsätze teilweise um über 50 Prozent zurückgingen.
Dass sich die weltweite Stahlrohrproduktion erstmals seit Jahren wieder leicht negativ entwickelte, bemerkte auch die Salzgitter AG, deren Rohraktivitäten seit Anfang August 2016 in „Geschäftsbereich Mannesmann“ umbenannt wurden. Nach Angabe des Unternehmens wird die Kundennachfrage von den Megatrends „Wasser“, „Energie“ und „Mobilität“ getrieben. Im globalen Stahlrohrmarkt sahen sich die Hersteller demnach in den ersten neun Monaten des Jahres 2016 vielfältigen Herausforderungen ausgesetzt. Da sei zum einen der Nachfrageeinbruch seitens der Energieindustrie in den Vorjahren, wobei dieser Abnehmerkreis noch immer für rund die Hälfte der globalen Stahlrohrproduktion stehe. Zum anderen würden anhaltend hohe Überkapazitäten insbesondere in Fernost die Ertragskraft der Industrie zusätzlich belasteten.
Große Nachfrage aus der Bau- und Automobilindustrie
Aus Sicht des Unternehmens positiv waren die auf niedrigem Niveau gefestigten Rohstoffpreise auf den Weltmärkten. Die im dritten Quartal zwischen 40 und 50 US-Dollar pro Barrel schwankenden Notierungen für Rohöl bewirkten zumindest eine Stabilisierung der Explorationsaktivitäten. Der Rig Count (ein Indikator für die Zahl der neu in Betrieb zu nehmenden Öl- und Gasquellen) in Nordamerika stieg weiter leicht an. Eine spürbare Gegenbewegung zu den massiv eingebrochenen Investitionen im Energiesektor sei jedoch noch nicht festzustellen. Dafür zeigten die klassischen Industriebranchen weiterhin eine robuste Nachfrage. Besonders stark war die Nachfrage laut Salzgitter aus der Baubranche und der Automobilindustrie. Auch das Großrohrgeschäft verlief aus deutscher Sicht insgesamt besser als in den sehr schwachen Vorjahren.
So bewegte sich beispielsweise der Auftragseingang der Europipe-Gruppe im Vergleich zu den ersten neun Monaten des Vorjahres auf einem erheblich höheren Niveau. Grund dafür waren vor allem die Buchungen neuer Leitungsprojekte wie die Nord Stream Pipeline 2 sowie TAP Offshore und Zohr Field. Zusätzlich sorgten Verzögerungen bei der Abwicklung des Pipelineprojekts im Schwarzen Meer (früher: South Stream) für einen höheren Auftragsbestand.
Auch der Orderbestand für HFI-geschweißte Rohre verbesserte sich bei Salzgitter 2016 gegenüber dem Vergleichszeitraum. Sogar eine Verdoppelung des Auftragseingangs verbuchte das Unternehmen in den ersten neun Monaten 2016 gegenüber dem Vorjahreszeitraum bei spiralnahtgeschweißten Großrohren. Hier kam die Nachfrage hauptsächlich aus Deutschland, aufgrund der Realisierung lang geplanter Projekte, gefolgt von Polen, den Niederlanden und Italien. Der Präzisrohrmarkt wiederum profitierte vom guten Auftragsvolumen der exportstarken deutschen Premium-Automobilhersteller, während die Lage im Industrie- wie auch im Energiesektor weiterhin sehr angespannt blieb. Im Edelstahlrohrsektor verzeichnete man ebenfalls eine schwache Nachfrage. Die nach Unternehmensangaben recht hohen Auftragsmengen des Kraftwerksektors konnten die schwache Nachfrage aus Bereichen, die direkt oder indirekt mit Öl und Gas zusammenhängen, nicht ausgleichen.
„Prognosen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen“, soll der dänische Physiker Niels Bohr gesagt haben – oder war’s Mark Twain, Karl Valentin, Winston Churchill oder Kurt Tucholsky? Egal, aktuell sind Prognosen zur Entwicklung der wirtschaftlichen Situation vor dem Hintergrund des gegenwärtigen politischen und wirtschaftlichen Umfelds von einer besonders hohen Unsicherheit geprägt. Die zukunftsbezogenen Aussagen des Unternehmens gelten deshalb nur unter der Voraussetzung einer moderaten konjunkturellen Erholung auf den Hauptmärkten – was angesichts von Trump, Brexit und Co. wohl nicht in Stein gemeißelt ist.
Für die eigenen Gesellschaften des Geschäftsbereiches Mannesmann prognostiziert Salzgitter eine heterogene Entwicklung: Positiv - auch wegen der Buchungen im letzten Jahr - bei den Großrohrwerken und, dank anhaltend stabiler Nachfrage der Automobilhersteller, bei den Präzisrohr-Gesellschaften. Dagegen habe sich die Auftragslage auf dem nordamerikanischen Markt eingetrübt. Die Segmente der mittleren Leitungsrohre, Präzis- und Edelstahlrohre wiederum sollten eine zumindest zögerliche Erholung verzeichnen.
Verbesserte Perspektiven
Nach Einschätzung der Wirtschaftsvereinigung Stahlrohre haben sich die Perspektiven für die Stahlrohrindustrie inzwischen wieder verbessert. So beginne sich die „nach dem Einbruch der Rohölpreise seit dem Jahr 2015 praktisch zum Erliegen gekommene Investitionstätigkeit der Energieindustrie zu normalisieren“. Neben dem daraus resultierenden Nachholbedarf sollte die Branche von den zyklisch steigenden Rohstoff- und Stahlpreisen sowie einer weiterhin robusten Konjunktur in den Industrieländern profitieren können. Eine wichtige Rolle spielen dabei die relativ günstigen Energiepreisen, eine expansive Fiskalpolitik und die günstige Euro-Dollar-Relation. Darüber hinaus erwartet der Verband von einer absehbar expansiveren Wirtschaftspolitik und wieder stärker auf fossile Energieträger ausgerichteten Energiepolitik in Nordamerika positive Effekte für die Stahlrohrindustrie.
Stahlrohre in jeglicher Ausführung waren wie Anlagen und Maschinen zur Herstellung und Bearbeitung von Rohren ein zentrales Thema der „Tube 2016“. Dies gilt auch für die nächste Ausgabe der führenden Internationalen Rohrfachmesse, die wie immer gemeinsam mit der weltgrößten Draht- und Kabelmesse „wire“ veranstaltet wird. Die nächsten Messen „Tube“ und „wire“ finden vom 16. bis 20. April 2018 wieder auf dem Düsseldorfer Messegelände statt.