Für die Hersteller von Stahlrohren ist der Energiebereich weltweit der größte Absatzmarkt. Hier spielen vor allem die nicht regenerativen Energien Öl und Gas die Hauptrolle. Doch auch bei den erneuerbaren Energien sind Rohre unverzichtbar. Bei der Windenergie deutlich sichtbar in Form der Windanlagentürme, die meist in Stahl oder Beton ausgeführt sind. Weniger augenfällig ist bei Offshore-Windenergieanlagen (OWEA) das, was sich unter der Wasseroberfläche befindet: Überwiegend dienen hier Stahlröhren oder Stahlrohrkonstruktionen als Fundament für die hoch aufragenden Stromerzeuger.
Nach dem Rekordjahr 2014 konnte die deutsche Windenergie-Branche auch im vergangenen Jahr neue Bestmarken vermelden. Hatte sich 2014 mit 141 neuen Anlagen die Offshore-Leistung gegenüber 2013 bereits verdoppelt, konnte 2015 noch einmal nachgelegt werden. Insgesamt gingen auf See 546 Windenergieanlagen mit einer Leistung von 2.282,4 Megawatt (MW) in Deutschland erstmals ans Netz. Wie die Deutsche WindGuard in ihrem „Status des Offshore-Windenergieausbaus in Deutschland“ mitteilt, lieferten damit Ende Dezember 2015 insgesamt 792 OWEA mit einer Gesamtleistung von 3.294,9 MW Strom ins Netz (2014: 1.012,5 MW).
In der Branche war der Rekord erwartet worden, denn er beruht auf Nachholeffekten durch die Netzanbindung bereits 2015 errichteter, aber noch nicht angeschlossener Anlagen. Zuwächse wird es auch 2016 geben, allerdings wohl keine neuen Rekorde. Immerhin warteten Ende 2015 noch weitere 41 vollständig errichtete neue Anlagen mit 246 MW Leistung darauf, ans Netz angeschlossen zu werden. Außerdem wurden 2016 für die Installation neuer Windenergieanlagen 122 Fundamente auf See errichtet. In der Branche geht man für 2016 von einem Zubau von rund 700 MW aus.
Nach Angaben der AG Energiebilanzen wurden im Jahr 2015 auf See etwa 8,1 Terrawattstunden Strom produziert. Damit konnte der Strombedarf von über 2 Millionen Haushalten gedeckt werden, entsprechend etwa 1,4 Prozent der Bruttostromversorgung in Deutschland. Damit hat die Offshore-Windtechnik zwar den kleinsten Anteil an der gesamten deutschen Stromerzeugung (Onshore wird fast die zehnfache Menge erzeugt), aber für die Stahlrohrindustrie ist der Sektor nicht nur wegen der Zukunftsaussichten interessant. Schließlich wird in einer OWEA weitaus mehr Stahl in Rohrform verbaut als in Windkraftanlagen, die an Land stehen.
Mehr Wind auf See als an Land
Der Aufwand für den Bau eines Offshore-Windparks (OWP) ist allerdings ungleich höher als dies an Land der Fall ist. Dass es die Energiebranche dennoch verstärkt aufs Meer zieht, hat auch abseits der oft mangelnden Akzeptanz für Onshore-Windkraftanlagen durchaus nachvollziehbare Gründe. Denn auf See weht der Wind nicht nur kräftiger, sondern vor allem auch gleichmäßiger als an Land, wie der Windenergie Report Deutschland 2014 des Fraunhofer-Instituts für Windenergie und Energiesystemtechnik (IWES) bestätigt. Zwar gibt es hier wie dort große saisonale Unterschiede (im Winter mehr, im Sommer weniger) bei der Windstromeinspeisung. Aber im Gegensatz zu Onshore ist hier keine eindeutige tageszeitliche Abhängigkeit der Windleistung erkennbar, weil die thermische Konvektion auf offener See einen geringen Einfluss besitzt. Insgesamt liefern OWEA deshalb deutlich mehr Energie als ihre Pendants an Land. Dies gilt vor allem für jüngere „farshore“, also weiter von der Küste entfernte Anlagen.
Für Windräder an Land wie auf See gilt grundsätzlich: Je größer, desto besser. Der Rotordurchmesser spielt für Leistung und Ertrag einer Windturbine eine wichtige Rolle, weil die Fläche des Rotors festlegt, wie groß der Anteil der verfügbaren Windströmung ist und welcher Teil von der WEA in elektrische Energie umgewandelt werden kann. Mit steigender Höhe nimmt außerdem die Windgeschwindigkeit je nach Standort erheblich zu. Weil die im Wind enthaltene Leistung proportional zur dritten Potenz der Windgeschwindigkeit ist, hat die Nabenhöhe maßgeblichen Einfluss auf den Ertrag einer WEA.
Trends zu mehr Leistung und größeren Anlagen
Damit einhergehend wächst auch die Nennleistung der Windkraftanlagen. Laut IWES ist die durchschnittliche Nennleistung der neu installierten OWEA weltweit von 1,9 MW in 2000 auf 3,6 MW im Jahr 2014 gestiegen. Die Nabenhöhe stieg im gleichen Zeitraum von etwa 60 auf durchschnittlich 85 Meter. Vor allem aber legten die Rotorblattlängen der Offshore-Anlagen kontinuierlich zu. So betrug der mittlere Rotordurchmesser einer OWEA 115 Meter in 2014 – im Jahr 2000 waren es etwa 75 Meter. Neue Modelle der 6-MW-Klasse haben sogar Rotordurchmesser von 150 Meter Länge und mehr. Die nächste Generation von OWEA, die derzeit entwickelt werden, hat Rotordurchmesser von über 160 Meter bei einer Nennleistung von 6 bis 7 MW.
Neben dem Trend zu größeren Anlagendimensionen hat die Wassertiefe am Installationsort wesentlichen Einfluss auf das Fundament einer OWEA. Wurden die ersten Windparks noch in relativ geringer Küstenentfernung und eher flachem Wasser errichtet, steht die durchschnittliche OWEA heute im Schnitt in 21,5 Kilometer Küstenentfernung und 15,5 Meter Wassertiefe. In 2014 wurden OWEA in durchschnittlich 21,1 Kilometer Küstenentfernung und 32,3 Meter Wassertiefe gebaut. Deutsche Offshore-Anlagen stehen, so das IWES, durchschnittlich in einer Küstenentfernung von 65 Kilometer und einer Wassertiefe von etwa 29 Meter und damit im weltweiten Vergleich am weitesten von der Küste entfernt.
Wegen der unterschiedlichen Rahmenbedingungen für OWEA wurden für die Fundamente, die sogenannten Gründungsstrukturen, die unterschiedlichsten Lösungen entwickelt. Den mengenmäßig größten Anteil haben die von Beginn an eingesetzten Einzelpfähle (Monopiles) und Schwerkraftfundamente. Weitere Bauweisen sind heute neben den in Asien verwendeten High-Rise-Pile Caps vor allem Fachwerk-Tragstrukturen (Jackets), dreigliedrige Gründungsfundamente (Tripiles und Tripods) sowie schwimmende Fundamente.
Vereinfacht gesagt, bestimmt der Standort der OWEA die verwendete Konstruktion. Schwerkraftfundamente, High-Rise-Pile Caps und Monopiles stehen vorwiegend in küstennahen und flachen Gewässern. Die Gründungsfundamente Tripod und Tripile eignen sich vor allem für größere Küstenentfernungen und Wassertiefen. Freilich sind die Grenzen fließend und sie verschieben sich ständig, was vor allem bei den Monopiles zu beobachten ist.
Hohe Belastungen für OWEA
OWEA müssen insgesamt stabiler und robuster konzipiert werden als Onshore-Windkraftanlagen, weil sie größeren und zusätzlichen Kräften ausgesetzt sind. Neben dem Eigengewicht und den hohen Windgeschwindigkeiten sind als weitere Anlagenbelastungen besonders Wellen, Strömungen (auch Ebbe und Flut) und Eisgang zu nennen. Die Gründungsstrukturen müssen so konzipiert und bemessen sein, dass sie über Jahrzehnte allen ausgesetzten Kräften trotzen, ohne sich zur Seite zu neigen.
Als einfachste Form der Verankerung für Offshore-Windräder im Meeresgrund gelten Monopiles: lange zylindrische Rohre, die in der Regel von einem Errichterschiff in den Meeresboden gerammt werden. Monopiles können in kurzer Zeit, das heißt in wenigen Stunden, und damit sehr kostengünstig errichtet werden. Dabei gilt als grobe Richtlinie, dass etwa die Hälfte des Pfahls im Meeresboden versenkt werden muss, um eine ausreichende Standfestigkeit zu gewährleisten.
XL- und Mega-Monopiles
Für solche großen Massen, aber auch um den Einsatz der Monopiles in immer größeren Wassertiefen zu ermöglichen, steigern die spezialisierten Rohrhersteller die Abmessungen in immer neue Bereiche. Anfang des Jahrtausends konnten anlagentechnisch Rohre von etwa fünf Metern Durchmesser gefertigt werden. Heute sind Pfähle mit einem Durchmesser von über 6 Meter Standard, wodurch sich der Einsatz auf Gebiete mit rund 30 Meter Wassertiefe erweitert.
Bei der niederländischen Sif Group hält man Monopiles von bis zu 120 Metern Länge, Durchmessern bis 11 Metern und Gewichten von 2.000 Tonnen grundsätzlich für möglich. Vorgreifend auf diese Entwicklungen erweitert das Unternehmen die Produktionskapazitäten, um solche Rohre zukünftig in Serie herstellen zu können. In nächster Zeit hält man jedoch Fundamente von 9 Metern Durchmesser, 100 Metern Länge und 1.500 Tonnen für ausreichend.
Auch andere Hersteller setzen auf die Produktion solcher XL-, XXL- oder Mega-Monopiles. Bei der EEW Special Pipe Constructions GmbH in Rostock können dickwandige, längsnahtgeschweißte Großrohre mit Durchmessern bis zu 10 Metern, Längen bis zu 120 Metern und Gewichten bis zu 1.500 Tonnen hergestellt werden. Damit eignet sich diese derzeit kostengünstigste Fundamentstruktur für Offshore-Windparks mit Anlagen der 5 bis 8 MW-Klasse und einer Wassertiefe bis zu 40 Metern. Laut Hersteller können im Bereich der Gründungen bis zu 30 Prozent Einsparungen im Vergleich zu Jacket-Konstruktionen erreicht werden. Eine solche Einsparung wäre erheblich, weil die Fundamente etwa 20 bis 25 Prozent der Gesamtkosten eines Offshore-Projektes ausmachen.
Mega-Monopiles sind ebenso ein Thema der AG der Dillinger Hüttenwerke, die mit der Tochtergesellschaft Steelwind Nordenham ein eigens für solche Fundamente konzipiertes Werk errichtete. Der erste in Nordenham produzierte Monopile mit einem Durchmesser von 7,80 Meter und einem Gesamtgewicht von rund 1.000 Tonnen war im September 2014 das zu der Zeit größte Exemplar seiner Gattung. Möglich sind aber auch hier Monopiles mit Durchmessern von bis zu 10 Metern, Längen von bis zu 120 Metern, Wanddicken bis 150 Millimeter und Gewichten von bis zu 1.500 Tonnen. Sie sollen sich in Wassertiefen von bis zu 45 Metern einsetzen lassen.
Höherfeste, zähe Stähle erforderlich
Die Dillinger Hütte ist auch einer der Hauptlieferanten von Grobblechen für die Monopile-Herstellung. Zu diesem Zweck wurden in Dillingen Stähle mit Dicken von weit über 100 Millimeter und Festigkeitsklassen bis zu 500 MPa (Megapascal) entwickelt. Bevorzugt kommen dabei thermomechanisch gewalzte Stähle zum Einsatz. Neben einer hohen Festigkeit und Zähigkeit erfordern Gründungsstrukturen Stähle mit einer sehr guten Schweißbarkeit.
Denn das Schweißen stellt einen der Hauptarbeitsgänge bei der Monopile-Fertigung dar. Vereinfacht dargestellt, werden zunächst die Blechtafeln mit 3- oder 4-Walzen-Biegemaschinen zu Rohrsegmenten, den sogenannten „Schüssen“ geformt. In einer Längsnahtanlage werden dann die Innen- und Außen-Längsnähte der Einzelschüsse geschweißt.
Anschließend werden die fertigen Einzelschüsse zu einer Fertigungslinie für Großsegmente transportiert, in der sie, wieder durch Schweißen, zu einem Großsegment zusammengefügt werden. Möglich ist auch, zunächst kleinere Segmente aus zwei oder drei Schüssen vorzumontieren und diese dann in der Großsegment-Fertigungslinie miteinander zu verbinden.
Stark automatisierte Fertigungsabläufe
Dort, in der sogenannten Growing Line, findet die Endmontage des Bauteils statt. Nach dem Ausrichten der Einzelschüsse bzw. Kleinsegmente zueinander mit speziellen Dreh- und Ausrichteinheiten sowie dem Heften der Bauteile werden die Innen- und Außenrundnähte mit einem Automatenträger im Unterpulververfahren verschweißt. So werden die einzelnen Bauteile Stück für Stück zum fertigen Monopile zusammengefügt und anschließend zum nächsten Arbeitsschritt, der Ausrüstung bzw. Beschichtung gefahren. Die kontinuierliche, hoch automatisierte Produktion gewährleistet eine hohe Auslastung und eine wirtschaftliche Herstellung der OWEA-Fundamente.
Windkraftanlagen werden voraussichtlich nicht auf der nächsten „Tube“ stehen. Aber Maschinen und Anlagen, die zu einer wirtschaftlichen Fertigung von Monopiles und anderen Fundamentstrukturen erforderlich sind. Zudem macht im Fall der Windenergietechnik die Kombination der führenden Internationalen Rohrfachmesse mit der weltgrößten Draht- und Kabelmesse „wire“ besonderen Sinn. Tube und wire werden vom 4. bis 8. April 2016 auf dem Düsseldorfer Messegelände veranstaltet.