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FA 04/ Wachstumsimpulse kommen vor allem aus dem Energiesektor

Internationale Stahlrohrindustrie bleibt auf Expansionskurs

Schon 2010 hatte sich die Welt-Stahlrohrproduktion vom heftigen Einbruch des Jahres 2009 erholt. Die positive Entwicklung der Nachfrage hielt auch 2011 an, so dass die Branche global betrachtet mit einem Zuwachs von rund 11 Prozent auf 141 Mio. Tonnen einen neuen Allzeit-Rekord in der Produktion verzeichnen konnte.

An diesem Wachstum partizipierte ebenso die deutsche Stahlrohrindustrie, die in 2011 ein Produktionsplus von etwa 7 Prozent verbuchen konnte. Dabei stieg die Produktion nach Angaben der Wirtschaftsvereinigung Stahlrohre e.V., Düsseldorf, sowohl in der Nahtlosrohrfertigung als auch im Schweißrohrsektor. Mit dem Prädikat „insgesamt zufriedenstellend“ bewertet der Verband die Kapazitätsauslastung. So wurden vor allem in der ersten Jahreshälfte teilweise auf Rekordniveau liegende Auftragseingänge registriert, während im zweiten Halbjahr die Auftragsbestände wieder zurück gingen.

Wegen der hohen Nachfrage besonders aus der Automobilindustrie und dem Maschinenbau konnten die Hersteller von Präzisionsstahlrohren einen überdurchschnittlichen Anstieg der Produktion erzielen. Vom anhaltend hohen Bedarf im Energiesektor konnten laut Verband besonders die Hersteller von Nahtlosrohren profitieren. Im Großrohrbereich beflügelte der globale Bedarf an Gasleitungen und Konstruktionsrohren für Windkraftanlagen die Nachfrage. Der Markt für geschweißte Leitungsrohre bis 406,4 mm Außendurchmesser war dagegen durch weniger Neuaufträge und einem steigenden Wettbewerbsdruck aufgrund weltweiter Überkapazitäten gekennzeichnet. Auf den Energiesektor (Öl- und Gasversorgung sowie Kraftwerksbau) entfällt deutlich mehr als die Hälfte sowohl der globalen als auch der deutschen Stahlrohrproduktion. Die anderen, kleineren Abnehmerbereiche sind im wesentlichen der Maschinenbau, die Automobilindustrie sowie die Chemie und Petrochemie.

Ausschlaggebende Rahmenbedingungen für den Stahl- und Stahlrohrmarkt waren 2011 nach Meinung der Salzgitter AG eine starke Binnenkonjunktur in Deutschland, die europäische Schuldenkrise sowie die Expansion in den für die Weltwirtschaft immer wichtiger werdenden Regionen China, Russland, Indien und Brasilien. Die nach wie vor an den Folgen der Finanzmarktkrise leidenden USA sind dabei, ihre Energieversorgung unabhängiger von Importen zu gestalten. Vor allem steigende Rohstoff- und Energiepreise sowie die Straffung der Geldpolitik einiger Schwellenländer bremsten im Verlauf des Jahres 2011 die wirtschaftliche Entwicklung.

Rekordniveau bei Erz- und Kohlepreisen
Die für die Herstellung des Vormaterials wichtigen Beschaffungsmärkte wurden besonders durch den Stahlhunger Chinas beeinflusst, das 2011 fast die Hälfte der weltweiten Rohstahlproduktion erzeugte. Die Folge war laut Salzgitter ein zunehmender Bedarf an Eisenerz, Kokskohle, Hochofenkoks sowie Energie und daraus folgend ein starker Anstieg vieler Notierungen. Dies führte im zweiten Quartal 2011 zu einem Rekordniveau der Erz- und Kohlepreise. Wachsende Zweifel an der Stabilität der Weltwirtschaft lösten dann aber vor allem im letzten Quartal erheblichen Druck auf die Rohstoffpreise aus.

Größere Preisschwankungen waren im Jahresverlauf ebenfalls bei Metallen und Ferro-Legierungen zu verzeichnen. Nach einem Anstieg in den ersten sechs Monaten gingen die Preise für börsennotierte Stoffe wie Zink, Nickel, Kupfer und Aluminium während des zweiten Halbjahres aber wieder deutlich zurück. Auch die Seefrachtraten zeigten im Verlauf des Jahres 2011 zunächst ein ständiges Auf und Ab, um sich zum Jahresende dann doch zu verdoppeln. Darüber hinaus war der Beschaffungsmarkt 2011 gekennzeichnet von schwankenden Preisen für flüssige Reduktionsmittel, Hilfs- und Betriebsstoffe, uneinheitlichen Schrottnotierungen sowie steigenden Öl- und Gaspreisen. All diese Entwicklungen hatten stark schwankende Halbzeugpreise zur Folge.

Wesentlichen Anteil an der Zunahme der weltweiten Stahlrohrproduktion hatte wie in den Vorjahren der mit plus 16 Prozent überproportionale Anstieg der chinesischen Stahlrohrherstellung. China konnte seinen Anteil an der Weltproduktion damit auf 48 Prozent weiter ausbauen. In den anderen Regionen der Welt nahm die Produktion insgesamt um 7 Prozent auf gut 74 Mio. Tonnen zu, blieb damit jedoch noch etwa 7 Prozent unter dem Rekordwert des Jahres 2008. Die Hersteller in der Europäischen Union verzeichneten 2011 ein Gesamtplus von 11 Prozent gegenüber dem Vorjahr und erreichten damit ein Volumen von 15 Mio. Tonnen.

Starke Zuwächse bei allen Rohrsorten
Mit einem Zuwachs um rund 14 Prozent auf 75 Mio. Tonnen expandierte die weltweite Produktion der geschweißten Rohre bis 406 mm Außendurchmesser am stärksten. Die Experten von Salzgitter führen diese Entwicklung vor allem auf die weiterhin stark steigende Inlandsnachfrage in China sowie auf den anhaltend hohen Bedarf des Öl- und Gassektors in Nordamerika zurück. Auch die anderen Rohrsorten konnten am Markt zulegen. So nahm global die Produktion nahtloser Stahlrohre gegenüber 2010 um 7 Prozent auf rund 43 Mio. Tonnen und die Großrohrfertigung um fast 9 Prozent auf 23 Mio. Tonnen zu.

Eine Stabilisierung des Stahlrohrmarktes bemerkte auch die österreichische Benteler International AG. Demzufolge ist die Produktion von Stahlrohren in Deutschland 2011 bei den für das Unternehmen relevanten nahtlosen Präzisionsrohren um 17 Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen. Gründe für die rege Nachfrage seien neben den zunehmenden Öl- und Gasexplorationsaktivitäten auch die reduzierten Lagerbestände an OCTG-Rohren. Außerdem führte der steigende Energiebedarf in Asien zu neuen Kraftwerksprojekten, während in Europa und Amerika Großreparaturen bestehender Kraftwerke im Vordergrund standen. Das Rohrgeschäft profitierte außerdem vom starken Exportgeschäft des deutschen Maschinenbaus und von der positiven Entwicklung der Automobilindustrie in Deutschland.

Die Nachfrage im Stahlrohrhandel nahm 2011 nach Angaben der Österreicher ebenfalls leicht zu. So stieg der weltweite Stahlrohrverbrauch gegenüber dem Vorjahr vor allem in den Absatzmärkten Maschinenbau, Hydraulikzylinder- und Automobilzulieferindustrie. Weniger erfreulich verlief die Entwicklung in den Bereichen Bauwesen und Energie, die europaweit weiterhin unter zurückhaltenden Investitionen litten. Als Wachstumstreiber auf dem Weltmarkt sieht man auch bei Benteler die Märkte in China und Indien mit einem nochmals zunehmenden Stahlrohrverbrauch.

Wachstumstrend Anfang 2012 gebremst
Für die Weltwirtschaft begann das Jahr 2012 durchaus verheißungsvoll, denn Industrieproduktion und Welthandel nahmen nach einem schwächeren zweiten Halbjahr 2011 weltweit wieder kräftig zu. Die Entwicklung in den ersten Monaten des Jahres 2012 war aber auch finanz- und wirtschaftspolitisch geprägt von der Schuldenkrise in Europa. Die Folge war und ist laut Salzgitter AG eine sehr unterschiedliche Entwicklung in den einzelnen Euro-Ländern, die von Wachstum in Deutschland und einigen anderen Länder bis hin zur Rezession vor allem in den Staaten des Mittelmeerraumes reicht.

Im Gegensatz zu den verhalten optimistischen Erwartungen an die Weltkonjunktur werden die Wachstumsperspektiven für die Eurozone deshalb nur als durchwachsen bezeichnet. So prognostizierte die Europäische Kommission in ihrem Frühjahrsausblick für acht der siebzehn Euro-Länder einen Rückgang des Brutto-Inlands-Produktes. Die ungelöste europäische Staatsschuldenkrise bleibt neben den stark gestiegenen Ölpreis und verschiedenen politischen Konflikten das größte Risiko für die Weltwirtschaft.

Bei Salzgitter zeigte der Unternehmensbereich Röhren im ersten Quartal 2012 eine zweigeteilte Entwicklung. Einem stabilen Präzisrohrgeschäft sowie gestiegenen Versandmengen und Umsätzen der Produktsegmente HFI-geschweißte Rohre und nahtlose Edelstahlrohre stand eine Beschäftigungslücke im Großrohrbereich gegenüber. Dank des Produktionsbeginns von über 410 000 Tonnen Großrohren für eine australische Erdgaspipeline konnte diese Lücke gegen Ende des ersten Quartals geschlossen werden. Beim Ichthys LNG Projekt (liquefied natural gas) soll Erdgas aus dem Ichthys-Feld über eine 889 Kilometer lange Offshore-Leitung nach Darwin transportiert werden.

Ingesamt ließ die globale Stahlrohrnachfrage nach dem starken Anstieg im Vorjahr in den ersten drei Monaten des Jahres 2012 etwas nach. Nach Aussage der Salzgitter AG gingen nicht nur die Auftragseingänge aus dem Automobilsektor zurück, auch aus dem Maschinen- und Anlagenbau waren keine nennenswerten Impulse zu verzeichnen. Besonders betroffen davon war der Produktbereich Präzisrohre. Im Energiesektor war dagegen ein ansteigender Bedarf zu beobachten.

Weitere Konjunkturentwicklung mit Fragezeichen
Die Aussichten für die konjunkturelle Entwicklung der Weltwirtschaft haben sich nach Angaben von Wirtschaftsexperten in den letzten Monaten eher verschlechtert. Dabei spielt zum einen die bislang ungelöste Staatsschuldenkrise in Europa eine wichtige Rolle. Zum anderen ist auch in den Schwellenländern eine nachlassende Dynamik gegenüber dem Vorjahr zu beobachten. Dennoch sind die Aussichten für die Stahlrohrindustrie laut Benteler nicht schlecht, weil aufgrund der positiven Wirtschaftsentwicklung in vielen Geschäftsfeldern auch 2012 ein Wachstum erwartet werden kann.

Für die Zukunft der Branche spielt besonders die Dynamik des Energiesektors eine Rolle. Im Bereich OCTG (Oil Country Tubular Goods) ist laut Benteler beispielsweise vor allem die Entwicklung auf dem nordamerikanischen Markt relevant. Öl und Gas sollten außerdem auf lange Sicht einen wesentlichen Anteil an der Energieversorgung haben. Da die Energiepreise voraussichtlich weiter steigen werden, ergeben sich günstige Bedingungen für weitere Explorationen.

Während in Europa und Nordamerika, unter anderem aufgrund der CO2-Problematik, eine nur verhaltene Projektrealisierung für fossil befeuerte Kraftwerke erwartet wird, soll in Asien die Bautätigkeit bei Kraftwerken auf hohem Niveau bleiben. Das bisher positive Solargeschäft in Europa wird, so die Erwartungen, zukünftig durch eine wachsende Nachfrage aus den USA ergänzt. Auch bei Baumaschinen und Landmaschinen rechnet man bei der Benteler-Gruppe nach der Erholung in 2011 weiterhin mit einem Wachstum - vor allen in Schwellenländern, die ihren Maschinenpark vergrößern.

Das Unternehmen hat im Rahmen der Wachstumsstrategie des Geschäftsbereiches Benteler Stahl/Rohr untersucht, welche Märkte für das Unternehmen und seine Produkte künftig relevant sein werden. Den Ergebnissen zufolge wird mit einem zunehmenden Absatz und Marktpotenzial von Produkten für die Explorationsindustrie in den USA gerechnet. Deshalb wurde entschieden, einen weiteren Standort in den USA aufzubauen. Die aktuellen Planungen umfassen den Aufbau eines Stahlwerks sowie einer Warmrohrproduktion und mehrerer Adjustagelinien zur Herstellung nahtloser Rohrlösungen.

Prognose: Verhalten optimistisch
Bei der Wirtschaftsvereinigung Stahlrohre sieht man die Entwicklung des Jahres 2012 ebenfalls stark davon abhängen, ob es gelingt, die Staatsfinanzkrisen in Europa und den USA zu bewältigen. Solange ein erneutes Durchschlagen der Finanz- und Schuldenkrise auf die Realwirtschaft verhindert werden kann, heißt es, dürfte besonders die deutsche Industrie von einer sich weiter stabilisierenden Weltkonjunktur profitieren.

Die Prognosen für die deutschen Stahlrohrhersteller sind entsprechend verhalten optimistisch. Bei anhaltend hohen Rohölpreisen dürften sich die Explorations- und Produktionsbohrvorhaben weltweit auf hohem Niveau halten, so dass die Nahtlosrohrhersteller auch künftig mit einer guten Auslastung rechnen können. Mit einem gewissen zeitlichen Versatz sollten auch die Hersteller von Leitungsrohren davon profitieren. Nützlich für die Stahlrohrindustrie könnten auch die neuen Anwendungsfelder für Stahlrohre sein, wie etwa die Förderung sogenannten unkonventionellen Gases und der Ausbau von Offshore-Windparks. Während der Verband mit einer weiterhin starken Nachfrage aus dem Automobilsektor und dem Maschinenbau rechnet, erwartet er von der Nachfrage aus der europäischen Bauwirtschaft kaum Impulse.