Eine „wirtschaftliche Supermacht“, wie der damals noch amtierende Chef des Internationalen Währungsfonds Dominique Strauss-Kahn bei seinem Besuch in Neu-Delhi Ende 2010 meinte, ist Indien wohl zwar noch nicht, nach Meinung der meisten Experten ist das angesichts des riesigen Bevölkerungspotenzials und des seit Jahren konstant hohen Wirtschaftswachstums aber nur eine Frage der Zeit. Die US-Investmentbank Goldman Sachs etwa schätzt, dass Indien schon 2030 hinter China und den USA zur drittgrößten Volkswirtschaft der Welt aufsteigen werde. Längerfristig betrachtet, so glauben viele, läuft alles auf ein Kopf-an-Kopf-Rennen um die führende Position in der Weltwirtschaft zwischen China und Indien hinaus – der "Wettlauf des Jahrhunderts“, wie der Economist im August 2010 schrieb.
Indien ist der drittgrößte LKW-Markt der Welt. Foto: Daimler
Indiens Aufstieg in der Weltwirtschaft spiegelt sich zunehmend auch in den Aktivitäten westlicher Unternehmen wider. Indien gewinnt neben China und anderen Schwellenländern als günstiger Produktionsstandort, vor allem aber auch als attraktiver Absatzmarkt an Bedeutung. Langfristigen demographischen Trends zufolge hat Indien hier das weltweit größte Potenzial: zwar hat es momentan noch weniger Einwohner als China, doch weil der größte Teil der Weltbevölkerung unter 25 Jahren in Indien wohnt, wird die Zahl der Erwerbstätigen dort in zwei bis drei Jahrzehnten weltweit die höchste sein. Die Marktgröße ist zusammen mit den Innovations- und Kostenvorteilen der Grund, warum für Unternehmen an Indien praktisch kein Weg vorbeiführe, so Ian Gomes, Analyst der Unternehmensberatung KPMG.
Auch für die Unternehmen der Draht- und Kabel- sowie der Rohrindustrie gewinnt Indien als Markt immer größere Bedeutung. Die Produkte der Draht- und Kabelindustrie werden von praktisch allen Industriezweigen benötigt. Große Abnehmer sind die Automobilindustrie und deren Zulieferer, der Maschinenbau, der Energiesektor, die Informations- und Kommunikationstechnik sowie die Bauindustrie. Stahlrohre kommen überwiegend im Öl- und Gassektor zum Einsatz, wichtige Abnehmer sind ebenfalls der Maschinen- und Kraftwerksbau, die Automobilindustrie sowie die chemische und petrochemische Industrie.
Besonders in ländlichen Gegenden ist die Stromversorgung mangelhaft. Photo: privat
Die indische Automobilindustrie verzeichnet seit Jahren zweistellige Wachstumsraten. Das Wachstum im Geschäftsjahr 2010/2011 gab die Society of Indian Automobile Manufacturers (SIAM) mit 30 Prozent gegenüber dem Vorjahr an – Rekord. Im Windschatten der Automobilindustrie macht auch die Zuliefererindustrie Rekordgewinne, 2010/2011 ein Plus von 25 Prozent, wie die Automotive Component Manufacturers Association of India (ACMA) mitteilte. Auf dem indischen Automarkt kämpfen mittlerweile nahezu alle großen Automobilhersteller der Welt um Marktanteile, auch wenn sich der Boom zuletzt unter anderem aufgrund steigender Auto- und Benzinpreise ein wenig abgekühlt hat und Experten für das aktuelle Geschäftsjahr ein Wachstum von vergleichsweise bescheidenen 12-15 Prozent erwarten.
Aber auch in anderen Bereichen bieten sich beträchtliche Chancen für westliche Unternehmen. Die indische Regierung will nach eigener Aussage von 2012 und 2017 rund 1 Billion US-Dollar in die marode Infrastruktur des Landes investieren, die das Land nach Expertenschätzungen jedes Jahr ein bis zwei Prozent Wirtschaftswachstum kostet. Höchste Priorität genießt dabei die Stromerzeugung. Das meiste Geld soll in den Bau neuer Kohle- und Gaskraftwerke fließen, aber auch der überfällige Ausbau des Stromnetzes steht ganz oben auf der Agenda. Einen weiteren Schwerpunkt im Regierungshaushalt bilden die Erschließung und Förderung von Öl und Gas sowie die Produktion von petrochemischen Erzeugnissen.
Rund die Hälfte der geplanten Investitionen soll nach den Vorstellungen der indischen Regierung aus der Privatwirtschaft kommen, unter anderem von ausländischen Investoren. In punkto Geschäftsklima hat Indien allerdings noch erheblichen Nachbesserungsbedarf. In einem aktuellen Ranking der Weltbank („Doing Business 2012“) liegt Indien weit hinter China und knapp hinter Russland und Brasilien auf dem 132. Rang von 183 Ländern. Zwar kommen Investoren vergleichsweise leicht an Kredite, Schwierigkeiten bereiten ihnen jedoch der Erhalt von Baugenehmigungen und die Durchsetzung von Verträgen. Laut einer Umfrage der Deutsch-Indischen Handelskammer vom Mai 2011 sind nach der mangelhaften Infrastruktur Korruption und übermäßige Bürokratie die größten Investitionshindernisse.
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