In der heutigen industriellen Realität – geprägt von Lieferengpässen, Personalausfällen und schwankender Marktnachfrage – stehen Unternehmen im Maschinen- und Anlagenbau, wie sie auf der wire & Tube vertreten sind, vor der Herausforderung, ihre Produktion widerstandsfähig, flexibel und zukunftsfähig zu gestalten. Der Schlüssel dazu liegt in einem neuen Engineering-Verständnis, das nicht nur auf Digitalisierung und Vernetzung setzt, sondern auf autonom wandelbare Systeme. Sie ermöglichen Produktionsanlagen, sich selbstständig an veränderte Bedingungen anzupassen – sei es bei Störungen, neuen Kundenanforderungen oder durch Personalausfall.
Das Fraunhofer-Institut für Entwurfstechnik Mechatronik IEM untersucht in seiner aktuellen Expertise des Forschungsbeirats Industrie 4.0 die tiefgreifenden Veränderungen im Engineering solcher Systeme. Im Fokus steht: Wie können Fertigungsanlagen im Kontext von Industrie 4.0 so gestaltet werden, dass sie nicht nur digital vernetzt, sondern auch intelligent wandelbar sind – ein Thema mit hoher Relevanz für Aussteller und Fachbesucher der wire & Tube, insbesondere aus dem Bereich der Rohr-, Draht- und Metallverarbeitung.
Flexibilität und Resilienz durch autonome Systeme
In Zeiten von Fachkräftemangel und wachsender Nachfrage nach individualisierten Produkten müssen Unternehmen ihre Produktionsprozesse neu denken. Autonome, wandelbare Systeme schaffen die Grundlage für kürzere Reaktionszeiten, effizientere Prozesse und eine geringere Abhängigkeit von menschlicher Arbeitskraft. Besonders im Maschinen- und Anlagenbau sowie in der metallverarbeitenden Industrie bietet dieser Ansatz enormes Potenzial – nicht zuletzt, weil er robuste und adaptive Produktionslinien ermöglicht, die in der Lage sind, sich flexibel neuen Marktbedingungen anzupassen.
Herausforderung: Ganzheitliches Engineering
Der Wandel betrifft jedoch nicht nur Technologien, sondern erfordert auch ein radikales Umdenken im Engineering-Prozess. Statt einzelner, isolierter Lösungen sind integrierte Ansätze gefragt, bei denen Nutzeranforderungen und Herstellerexpertise gemeinsam betrachtet werden. Die Studie zeigt, dass die derzeitige Praxis – etwa die getrennte Entwicklung von Produkt und Produktionssystem – ineffizient ist und Innovationen hemmt. Um Anlagen künftig schneller umrüsten und intelligenter betreiben zu können, braucht es neue Engineering-Methoden, die interdisziplinäre Zusammenarbeit und agile Entwicklung fördern.
Relevanz für wire & Tube: Innovationsimpulse für die Produktion von morgen
Für Unternehmen der Draht-, Rohr- und Kabelindustrie bedeutet diese Entwicklung: Der Maschinenbau muss sich weiterentwickeln – hin zu modularen, adaptiven Systemen, die sich nicht nur effizient betreiben, sondern auch unkompliziert auf neue Produkte oder Fertigungsschritte umstellen lassen. Gerade auf der wire & Tube, wo es um hochspezialisierte Fertigungstechnologien geht, sind diese Erkenntnisse von zentraler Bedeutung.
Elf Thesen für die Praxis
Die Fraunhofer-Expertise formuliert elf konkrete Thesen, die aufzeigen, welche strategischen und technologischen Schritte erforderlich sind, um autonom wandelbare Produktionssysteme in die Fläche zu bringen.
1. Digitalisierung kompensiert Fachkräftemangel.
Automatisierung und smarte Systeme gleichen Personallücken aus.
2.Wandelbarkeit ist noch nicht flächendeckend.
Der ganzheitliche Einsatz autonomer Systeme steht noch aus.
3. Produkt und Produktion müssen integriert werden.
Parallelentwicklungen hemmen Anpassungsfähigkeit.
4. Methoden für Wandelbarkeit fehlen.
Es mangelt an praxisnahen Engineering-Ansätzen.
5. Branchen setzen unterschiedliche Schwerpunkte.
Wandelbarkeit (z. B. Autoindustrie) vs. Autonomie (z. B. Maschinenbau).
6. Nutzerorientierung ist entscheidend.
Systeme müssen verständlich, flexibel und transparent sein.
7. Produkt- und Produktionsentwicklung verlaufen getrennt.
Das erschwert effiziente Systemanpassungen.
8. Technologieauswahl ist oft unsystematisch.
Unternehmen fehlt eine strukturierte Entscheidungshilfe.
9. Systems Engineering und Produktentwicklung müssen zusammenwachsen.
Nur so entsteht echte Agilität.
10. Interdisziplinäres Modell fehlt.
Gemeinsame Sprache und Struktur für alle Engineering-Bereiche sind notwendig.
11.Keine Standards für Smart-Factory-Planung.
Einheitliche Vorgehensweisen fehlen bislang.
Dabei wird klar: Die Branche steht noch am Anfang. Es fehlen standardisierte Methoden, interoperable Schnittstellen und eine stärkere Integration von Kundenfeedback in die Systementwicklung.
Fazit: Forschung trifft Industrie
Ob für den Bau intelligenter Walzwerke, adaptiver Ziehanlagen oder flexibler Automatisierungslösungen – die Expertise liefert wertvolle Impulse für alle, die sich auf der wire & Tube mit der Zukunft der industriellen Fertigung beschäftigen. Sie macht deutlich: Wer langfristig wettbewerbsfähig bleiben will, muss Engineering neu denken – als Brücke zwischen Technologie, Nutzer und Organisation.