In allen übrigen Kommunen, die sich noch in der Planungsphase befinden oder noch nicht damit begonnen haben, ist noch Geduld gefragt. Für die Fertigstellung der Wärmepläne gelten für diese unterschiedliche Stichtage: In Gemeindegebieten mit mehr als 100.000 Einwohnern müssen sie bis zum 30. Juni 2026 vorliegen. Kommunen mit einer geringeren Einwohnerzahl haben hingegen zwei Jahre länger Zeit.
Das sogenanntes „Konvoi-Verfahren“ bietet kleineren Gemeinden mit unter 10.000 Einwohnern zudem die Möglichkeit, im interkommunalen Zusammenschluss einen gemeinsamen Wärmeplan zu erarbeiten. Dabei gelten in einem vereinfachten Verfahren auch geringere Anforderungen.
2. Phasen der kommunalen Wärmeplanung
Das Wärmeplanungsgesetz sieht für den komplexen kommunalen Wärmeplanungsprozess mehrere Schritte vor. Hierbei muss eine Vielzahl an Daten herangezogen und ausgewertet werden. Laut BMWSB werden „nur bereits vorhandene Daten genutzt, die vorrangig aus öffentlich zugänglichen Registern und Datenbanken sowie bei den energiewirtschaftlichen Marktakteuren erhoben werden.“
Eignungsprüfung und verkürzte Wärmeplanung
In einem ersten Schritt wird ein Gebiet auf Teilgebiete untersucht, von denen angenommen wird, dass sie sich nicht für eine zentrale Versorgung über ein Wärme- oder Wasserstoffnetz eignen. Im späteren Wärmeplan wird der jeweilige Bereich als „voraussichtliches Gebiet für die dezentrale Wärmeversorgung“ dokumentiert, das heißt, dass für diesen Bereich eine verkürzte Wärmeplanung erfolgen kann.
Bestandsanalyse
Bei der Bestandsanalyse wird der aktuelle lokale Wärmebedarf und -verbrauch unter Berücksichtigung der daraus resultierenden CO2-Emissionen sowie aller Gebäude- und Siedlungstypen und Baualtersklassen ermittelt. Außerdem werden Daten zur gesamten Versorgungsinfrastruktur, bestehend aus Gas- und Wärmenetzen, Heizzentralen und Speichern usw., erfasst.
Potenzialanalyse
In dieser Planungsphase werden Nutzungs- sowie Einsparpotenziale ermittelt. Gibt es lokal nutzbare Vorkommen regenerativer Energien (Solar- oder Windenergie, Geothermie, Biomasse, grünen Wasserstoff) oder von Abwärme z. B. aus Rechenzentren oder Industrieanlagen? Sind sektorübergreifende Energieeinsparungen möglich (Raumwärme, Warmwasser und Prozesswärme)?
Zielszenario 2045 und Umsetzungsstrategie
Auf Basis der vorliegenden Analyseergebnisse wird im Folgenden ein zeitlich abgestuftes Zielszenario entwickelt, das die langfristige Deckung des klimaneutralen Wärmebedarfs der entsprechenden Kommune sicherstellen soll. Hierzu werden geeignete Gebiete für Wärmenetze (zentrale Versorgung) sowie für die Einzelversorgung (dezentrale Versorgung) ermittelt. Das Szenario umfasst unter Berücksichtigung der Wirtschaftlichkeit eine detaillierte räumliche Darstellung („Wärmeversorgungsgebiete“) der Versorgungsstruktur im Jahr 2045. Für die Jahre 2030, 2035 und 2040 werden Etappenziele benannt.
Im weiteren Planungsverlauf werden unter anderem konkrete Maßnahmen und die jeweils geeignete Wärmeversorgungsart für bestimmte Teilgebiete erarbeitet sowie Zuständigkeiten von kommunalen und lokalen Akteuren konkretisiert.
3. Deutschland und die EU: Wärmeplanung in der Praxis
Deutschland: Beispiele aus den Bundesländern
In einigen deutschen Bundesländern war die Wärmeplanung schon vor dem 1. Januar dieses Jahres verpflichtend:
Niedersachsen
Bereits seit Sommer 2022 besteht in dem Bundesland laut Niedersächsischem Klimagesetz
(§ 20 NKlimaG) für 95 Kommunen die Pflicht zur kommunalen Wärmeplanung bis Ende 2026. Die klimaneutrale Wärmeversorgung von Gebäuden soll dort bis zum Jahr 2040 erreicht werden – also fünf Jahre früher als es das Wärmeplanungsgesetz des Bundes vorsieht.
Baden-Württemberg
Baden-Württemberg spielt bei der kommunalen Wärmeplanung deutschlandweit eine Vorreiterrolle: Dort mussten die Stadtkreise und großen Kreisstädte bereits bis zum 31. Dezember 2023 ihre Wärmepläne einreichen, wonach die Wärmeplanung derzeit für rund die Hälfte der Einwohnerinnen und Einwohner des Bundeslandes vorliegt.
- Landkreis Lörrach: Leuchtturmprojekt der interkommunalen Wärmeplanung
Der Landkreis Lörrach gilt als Vorbild für ein interkommunales Planungsverfahren (Konvoi). Hier wurden innerhalb eines Zeitraums von 20 Monaten in 35 Kommunen mit insgesamt 300.000 Einwohnern Potenziale klimaneutraler Wärmeversorgung erfasst – wie Geothermie, Solarthermie, Biomasse oder Abwärme aus Industrie und Gewerbe. Der im Juni 2022 verabschiedete detaillierte Maßnahmenkatalog ist die Grundlage für die Realisierung und Fortschreibung der lokale Wärmeplanung in Form von kommunenspezifischen Handlungsoptionen.
- Kehl und Straßburg: Grenzübergreifendes Wärmebündnis
Der Idee des in Europa als einzigartig geltenden Projekts, die Abwärme der Badischen Stahlwerke für die Beheizung des Gebäudesektors der Grenzstädte Kehle und Straßburg zu nutzen, folgten ab 2019 zwei Machbarkeitsstudien, die die Wirtschaftlichkeit und technische Realisierbarkeit des Projekts untermauerten. Die 2022 gegründete deutsch-französische Wärmetransportgesellschaft „Calorie Kehl-Strasbourg“ soll künftig den Bau der Leitungen voranbringen und für deren Betrieb verantwortlich sein. Beginnen sollen die Bauarbeiten noch in diesem Jahr. Ihren Betrieb soll die Wärmeleitung ab 2027 aufnehmen.
Schleswig-Holstein
Mit Inkrafttreten der Novellierung des Energiewende- und Klimaschutzgesetzes (EWKG) im Dezember 2021 hatte auch Schleswig-Holstein für größere Kommunen bereits vorzeitig eine landesweite Pflicht zur Wärmeplanung eingeführt. Die Pläne für sogenannte Mittel- und Oberzentren müssen spätestens in diesem Jahr beim dortigen Umweltministerium eingereicht werden. Weitere Gemeinden für die spezielle Klassifizierungen gelten, haben für die Erstellung der Wärmepläne Zeit bis 2027.
Derzeit planen regionale Wärmeversorger in Kiel und Flensburg nach dänischem Vorbild Meerwasser-Großwärmepumpen für die Versorgung mit Fernwärme. Vorreiter ist der Hafen Esbjerg im Südwesten Dänemarks, wo gerade die größte Meerwasser-Wärmepumpe der Welt entsteht und der bereits einer der wichtigsten Energiehäfen für Deutschland ist.
Auch als Startpunkt der sich im Aufbau befindlichen grenzüberschreitenden Wasserstoff-Pipeline Hyperlink III für grünen H2 spielt Esbjerg eine herausragende Rolle. Die rund 200 km lange Pipeline soll 2028 betriebsbereit sein und über den Brückenkopf Schleswig-Holstein bis nach Hamburg reichen, wo sie mit dem bundesweiten deutschen Wasserstoff-Netz verbunden sein wird.
Blick nach Europa: Best practice
Bei der Wärmewende kann Dänemark durchaus als Pionier bezeichnet werden. Bereits in den 1970er Jahren setzte das Land anlässlich der Ölkrise (Ölpreisschock) auf die Nutzung erneuerbarer Energien und verpflichtete seine Kommunen zur Erstellung von Wärmeplänen. Mit der Schaffung eines riesigen Fernwärmenetzes konnten die CO2-Emmissionen innerhalb eines Jahrzehnts um 65 % reduziert werden.
Heute werden in Dänemark rund 65 % der Haushalte mit Fernwärme geheizt. Ein Drittel des Mülls wird dort zur Energiegewinnung genutzt.