Intelligente Produktion in der Stahlindustrie: Revolutionäre Technologien für eine nachhaltige und effiziente Zukunft

Künstliche Intelligenz
Bild: Pixabay

Die Stahlindustrie steht vor einer gewaltigen Transformation: Die Unternehmen weltweit müssen künftig klimafreundlich und maximal energieeffizient und ressourcenschonend Stahl produzieren und weiterverarbeiten, wenn sie die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts meistern wollen. Entscheidender Enabler hierfür ist eine intelligente Produktion, die durch die Kombination von künstlicher Intelligenz (KI), Big Data Digital Twins mit hochintegrierter Prozessautomatisierung ganz neue Effizienzgrade in der Produktion, Weiterverarbeitung oder auch beispielsweis der Wärmebehandlung ermöglicht. Der technologische Fortschritt mithilfe der fortschreitenden Digitalisierung macht die Zukunft der Stahlherstellung dabei smarter und vernetzter denn je.

Die Vision einer klimaneutralen Stahlproduktion – da sind sich alle Experten inzwischen einig - darf nicht länger nur eine ambitionierte Idee auf dem Reißbrett sein, sie ist eine dringende Notwendigkeit. Dennoch: Von der Einsicht in die Notwendigkeit bis zur tatsächlichen Realisierung ist es im Falle der Stahlindustrie ein langer beschwerlicher Weg, denn die Umstellung auf eine klimafreundliche Produktion ist eine Herkulesaufgabe. Allein um zum Beispiel einen der vier Hochöfen von Thyssenkrupp in Duisburg durch eine Direktreduktionsanlage mit Wasserstoffbetrieb umzurüsten, würde täglich mehr als zwölfmal das Fassungsvermögen des benachbarten Gasometers in Oberhausen an Wasserstoff benötigt. Hierfür wiederum wären 3.200 Windmühlen der größten Leistungsklasse im Dauerbetrieb erforderlich, um diese Menge an grünem Wasserstoff zu produzieren, denn nur grüner Wasserstoff ist klimaneutral. Diese enormen Anforderungen verdeutlichen, wie radikal sich die Energiebereitstellung verändern muss, wenn Unternehmen in der Primärstahlerzeugung ihre Emissionen senken und klimafreundlicher werden wollen. Doch diese neuen Produktionsmethoden sind erst der Anfang: Die Vision ist, den gesamten Sektor auf nachhaltige und recyclingbasierte Produktionswege umzustellen, um langfristig die Stahlproduktion nahezu ohne CO₂-Emissionen zu gestalten.

Bild: ArcelorMittal

Digitalisierung als Treiber für Effizienz und Kostensenkung

Der Schlüssel zur grünen Transformation liegt hier bei vor allem in der digitalen Transformation der Unternehmen. Ein Vorreiter in dieser Disziplin ist Smart Steel Technologies. Das Unternehmen hat sich darauf spezialisiert, die passenden Instrumente zu entwickeln, mit denen eine durchgängige digitale Produktionsteuerung und -planung nicht nur signifikant die Effizienz steigert, sondern auch entscheidende Einsparungen bei den Energiekosten ermöglicht. Das ist hierzulande aber auch in nahezu ganz Europa dringend nötig, denn die Energiepreise in der Stahlproduktion sind im internationalen Vergleich hoch, was europäische Hersteller stark unter Druck setzt. Mit hybriden KI-Ansätzen, die physikbasierte und maschinell lernende Modelle kombinieren, werden jetzt Lösungen entwickelt, die eine drastische Verbesserung der Effizienz und Nachhaltigkeit versprechen. Die hybriden Modelle sind gerade deshalb so vielversprechend, weil sie komplexe Produktionsprozesse besser verstehen und optimieren, als es klassische Planung je könnte – sie sind präziser, schneller und lernfähig.

Das Beispiel des deutschen Mittelständlers BGH Edelstahl veranschaulicht sehr gut, wie die digitale KI-basierte Revolution auch in traditionelle Unternehmen Einzug hält. Durch die Zusammenarbeit mit dem KI-Spezialisten gapzero entstand der sogenannte „Wärmebehandlungs-Planer“, eine Software zur automatisierten Optimierung von Wärmebehandlungsprozessen. Was früher eine rein manuelle und zeitaufwändige Planung war, kann heute innerhalb von Sekunden per Mausklick optimiert werden. Diese Lösung geht weit über die klassische Planungssoftware hinaus: Sie minimiert die Dauer der Produktionsdurchläufe, reduziert den Energieverbrauch und gibt den Produktionsverantwortlichen ein leistungsstarkes Werkzeug an die Hand, mit dem sie den Betrieb der Öfen und Abschreckbecken dynamisch und agil steuern können. Dies ist ein Paradigmenwechsel in der traditionellen Edelstahlproduktion, die bisher vor allem auf die Erfahrung und Intuition ihrer Facharbeiter gesetzt hat.

Die Ansicht zeigt die optimierten Abläufe in der Planungssoftware
Bild: BGH Edelstahl Siegen

Big Data und KI: Eine neue Ära für die Stahlindustrie

„Von den Daten, die wir heute im Stahlwerk sammeln, nutzen wir vielleicht 10 %.“ Diese Aussage von Andreas Dalchow, Technikvorstand bei ArcelorMittal, verdeutlicht das gewaltige ungenutzte Potenzial, das in den Prozessen der Stahlindustrie schlummert. Im digitalen Zeitalter sind Daten das „neue Öl“ und KI-gestützte Systeme die Raffinerien. ArcelorMittal arbeitet mit Hochdruck daran, die restlichen 90 % der verfügbaren Daten effizient auszuwerten und für Prozessoptimierungen zu nutzen. KI kann beispielsweise ungeplante Anlagenstillstände voraussagen, indem sie potenzielle Defekte und Anomalien in Echtzeit erkennt und frühzeitig Maßnahmen zur Wartung einleitet. Der Einsatz solcher Predictive Maintenance und Prognostic Foresight-Technologien steigert nicht nur die Effizienz, sondern ermöglicht es auch, den Energieverbrauch und die Emissionen nachhaltig zu senken – entscheidende Schritte auf dem Weg zur klimafreundlichen Produktion.

Oft gilt es aber vor dem Einsatz Künstlicher Intelligenz in der Produktion erst einmal in den Belegschaften und bei den Anlagenfahrern Ängste und Bedenken auszuräumen. Denn zunächst ist sie für diese eine unberechenbare „Black Box“, die in kritischen Produktionsumgebungen – wie etwa einem Hüttenwerk – für große Unsicherheiten sorgen kann. Primetals hat daher ein System der „erklärbaren KI“ (xAI) entwickelt, das die Intransparenz traditioneller Modelle überwindet. Die Idee: Nicht nur das Ergebnis einer KI-basierten Analyse soll verständlich sein, sondern auch die Art und Weise, wie dieses Ergebnis zustande kam. Durch die Kombination von maschinellem Lernen mit detaillierten Metallurgie- und Thermodynamik-Kenntnissen können Modelle entwickelt werden, die leicht nachvollziehbar und effizient steuerbar sind. Diese Transparenz ist gerade in sicherheitskritischen Prozessen wie Hochöfen und Sinteranlagen von unschätzbarem Wert und hilft, die Akzeptanz für KI-Lösungen in der Produktion zu stärken.

(Quelle: Primetals)

Nachhaltigkeit durch Lebenszyklusanalysen und Materialsimulation

Das Institut für Eisenhüttenkunde der RWTH Aachen geht noch einen Schritt weiter und kombiniert Lebenszyklusanalysen (LCA) mit datengetriebener Werkstoffsimulation, um zum Beispiel die Nachhaltigkeit von neuen Stahllegierungen und Prozessen zu steigern. Diese Ansätze sind besonders wichtig, da sich die Materialzusammensetzungen durch den verstärkten Einsatz von recyceltem Schrott ständig ändern. Die digitale Simulation der Materialeigenschaften und die datengetriebene Modellierung bieten hier wertvolle Einblicke und machen es möglich, von Beginn an klimafreundlichere und robustere Stähle zu entwickeln. Besonders in der Automobilindustrie, die auf hochfeste Stähle angewiesen ist, wird diese Fähigkeit in Zukunft unverzichtbar sein.

Schlussfolgerung

Intelligente Produktion ist keine Zukunftsmusik, sondern die nächste große Welle, die die Stahlindustrie weltweit revolutioniert. Die Kombination aus Big Data, KI und Automatisierung macht es möglich, lang gehegte Ziele der Effizienz und Nachhaltigkeit zu erreichen, die bis vor wenigen Jahren unerreichbar schienen. Unternehmen wie Smart Steel Technologies, BGH Edelstahl und ArcelorMittal sowie Forschungseinrichtungen wie die RWTH Aachen treiben den Wandel konsequent voran und nutzen die neuen KI-basierten Technologien, um ihre Produktionsprozesse grundlegend (energie)effizienter und wirtschaftlicher zu machen. Die Stahlindustrie wird nicht nur umweltfreundlicher und profitabler, sondern auch resilienter und agiler, was sie für die Herausforderungen der Zukunft optimal aufstellt.

Mehr zum Thema Intelligente Produktion in der Stahlindustrie erfahren Sie auf der nächsten wire & Tube, die vom 13. bis 17. April 2026 in Düsseldorf stattfindet. Aktuelle Branchen- und Produktinformationen liefert Ihnen das Internetportal unter www.wire-tradefair.com.

Quellen

„Intelligente Produktion: Interview mit Dr. Falk-Florian Henrich von Smart Steel Technologies“.

Goderbauer, Sebastian, Hippenstiel, Frank, Metzger, Jonas, & Müller, Michael: „Automatisierte Planungsoptimierung der Wärmebehandlung bei BGH Edelstahl Siegen“.

Lutter, Pascal & Hartmann, Marc: „Künstliche Intelligenz in der Metallindustrie: Kann KI die Planung revolutionieren?“.

Bettinger, Dieter, Fritschek, Harald, Klinger, Angelika, et al.: „Erfolgreiche KI-Anwendungen in der Eisenerzeugung: Transparenz-Ansatz mit erklärbarer KI“.

Naber, Hannah, Jeyaraj, Vinola, Krupp, Ulrich & Gramlich, Alexander: „Stahldesign im Spannungsfeld der Digitalisierung: Integrative Werkstoffsimulation und LCA“.

ArcelorMittal: „Künstliche Intelligenz in der Stahlherstellung: Viele Chancen - aber auch noch einige offene Fragen“.