Die Wasserstoff-Wirtschaft in der Türkei

Die nationale Wasserstoff-Strategie der Türkei 

Die 2023 veröffentlichte „Türkiye Hydrogen Technologies Strategy and Roadmap” setzt ambitionierte Ziele:  

• Bis 2030 will das Land 2 Gigawatt an Elektrolyse-Kapazitäten installieren. Diese sollen bis 2035 bereits 5 Gigawatt aufgestockt und bis 2053 sogar auf 70 Gigawatt erhöht werden. 

• Zugleich will die Türkei dafür sorgen, dass die Produktionskosten von grünem Wasserstoff bis 2035 unter 2,4 $/kg H₂ und bis 2053 unter 1,2 $/kg H₂ liegen. 

Diese Ziele verdeutlichen, dass die Türkei zu einem bedeutenden Exporteur von grünem Wasserstoff werden will. 

Ein besonderer Schwerpunkt der Wasserstoff-Strategie liegt auf der Entwicklung regionaler Wasserstoff-Hubs in den Metropolregionen des Landes. Diese sollen die bereits vorhandene Infrastruktur für konventionelle Energieträger wie Erdgas und Öl nutzen und durch Vernetzung einen landesweiten Zugang zu Wasserstoff ermöglichen.

Standortvorteile der Türkei im H₂-Sektor 

Die Türkei verfügt über zahlreiche Standortvorteile im Wasserstoffsektor. Die strategische Lage zwischen Europa und Asien und die vielfältigen erneuerbaren Energiequellen bilden ein Fundament für den Aufbau einer wettbewerbsfähigen H₂-Wirtschaft. 

Das Land kann auf vielfältige erneuerbare Energiequellen zurückgreifen. Es verfügt über:   

• Ein hohes Potenzial für Solarenergie, besonders im Süden und Südosten 

• Ausgezeichnete Windverhältnisse für Windkraft entlang der Ägäis- und Mittelmeerküste 

• Bedeutende Wasserkraftressourcen in gebirgigen Regionen 

• Geothermische Energiequellen in verschiedenen Landesteilen 

Diese diversen erneuerbaren Energieträger bilden die Grundlage für die Produktion von grünem Wasserstoff. Zusätzlich verfügt die Türkei über eine gut ausgebaute Energieinfrastruktur und die geografische Lage macht das Land zu einem potenziell wichtigen Knotenpunkt im internationalen Wasserstoffhandel. Als Brücke zwischen Europa, dem Nahen Osten und Asien könnte das Land eine Schlüsselrolle bei der Verteilung und dem Transport von Wasserstoff spielen. Die Türkei kann auf ein vorhandenes Pipelinenetz zurückgreifen, das das Land mit der Europäischen Union verbindet. Dies könnte für den Transport von Wasserstoff umgerüstet werden und würde so eine ideale Grundlage für den Wasserstoff-Transport bilden. Die Türkei kann jedoch nicht nur als Exporteur agieren, sondern durch ihre Lage auch als Transitland. Es kann den Wasserstoff aus verschiedenen Produktionsregionen, beispielsweise den Ländern in Nordafrika und dem Nahen Osten, bündeln und weiterleiten. So könnte die Türkei zu einem unverzichtbaren Partner werden. Um dieses Potenzial als Drehscheibe im internationalen Wasserstoffhandel zu verwirklichen, verstärkt die Türkei ihre internationalen Kooperationen. Erste Absichtserklärungen mit EU-Ländern über künftige Wasserstofflieferungen wurden bereits unterzeichnet.

Wasserstoff in der türkischen Industrie  

Die Transformation zur Wasserstoffwirtschaft erfasst in der Türkei zunehmend industrielle Sektoren. Besonders in energieintensiven Industrien, wie der Stahl- und Zementproduktion, werden vielversprechende Pilotprojekte vorangetrieben. 

Die Türkei ist Europas zweitgrößter Stahlproduzent und hat bereits mehrere Initiativen zur Dekarbonisierung durch Wasserstoff gestartet. Der Stahlproduzent Erdemir investiert beispielsweise in Direktreduktionsanlagen, die künftig mit Wasserstoff statt mit Erdgas betrieben werden sollen.  

Mit einem Anteil von 15 Prozent am weltweiten Zementexport ist die Türkei auch einer der wichtigsten Zementhersteller weltweit. Limak Cement hat bereits 2021 das Potenzial von Wasserstoff für die Dekarbonisierung erkannt. Ende 2022 startete das Unternehmen Planungsstudien zum Einsatz von grünem Wasserstoff. Mit Air Liquide hat das türkische Unternehmen im Juni 2024 erste Tests zur Wasserstoffverbrennung durchgeführt: Die Ergebnisse sind vielversprechend. Für Anfang 2026 plant Limak Cement die Installation eines Elektrolyseurs in einem seiner Werke. Mehr Einblick über die Integration von Wasserstoff in die Zementproduktion erhalten Sie im Interview mit Erkam Kocakerim, CEO von Limak Cement. 

Herausforderungen und Ausblick 

Trotz der günstigen Ausgangsbedingungen steht die türkische Wasserstoff-Wirtschaft vor erheblichen Herausforderungen. Der Aufbau einer entsprechenden Infrastruktur – von Elektrolyseuren über Speicheranlagen bis hin zu Transportwegen – erfordert massive Investitionen. Zudem müssen regulatorische Rahmenbedingungen geschaffen werden, die Investitionssicherheit bieten und gleichzeitig hohe Sicherheits- und Umweltstandards gewährleisten. 

Dennoch sind die Aussichten für die türkische Wasserstoff-Wirtschaft vielversprechend. Mit seiner nationalen Strategie, den natürlichen Vorteilen und dem Engagement von Industriepionieren hat das Land gute Chancen, sich als wichtiger Akteur in der globalen Wasserstoff-Wirtschaft zu etablieren. Wie Erkam Kocakerim im Interview treffend feststellte: „Wer heute in eine Zukunftstechnologie wie Wasserstoff investiert, gehört morgen zu den Gewinnern der industriellen Transformation.” 

wire und Tube go Türkiye 

Die kommenden Jahre werden zeigen, ob die Türkei ihre ambitionierten Ziele erreichen und das Potenzial ihrer Wasserstoff-Wirtschaft voll ausschöpfen kann. Mehr über die aktuelle Lage der Industrie des Landes erfahren Sie auf der wire und Tube Eurasia 2025, die vom 9. bis zum 12. April 2025 in Istanbul stattfindet.