Wirtschaftsdynamik: Weiter hohe Wachstumsprognose für Stahlsektor
Die südostasiatische Stahlindustrie entwickelt sich vor dem Hintergrund einer bemerkenswerten wirtschaftlichen Dynamik der Region, die sie zu einem der attraktivsten Märkte für europäische Unternehmen macht. Die Region verzeichnet ein robustes Wirtschaftswachstum, das deutlich über dem globalen Durchschnitt liegt und nachhaltigen Stahlbedarf generiert.
Makroökonomische Eckdaten 2025
Die wirtschaftliche Entwicklung der südostasiatischen Kernländer zeigt ein differenziertes, aber durchweg positives Bild:
Vietnam positioniert sich zusehends als wirtschaftliches Powerhouse der Region mit einem ambitionierten BIP-Wachstumsziel von 8% für 2025. Das BIP pro Kopf liegt mittlerweile bei etwa 4.300 USD (2024), was Vietnam zu einem der dynamischsten Märkte der Region macht. Die registrierten Auslandsinvestitionen stiegen im ersten Quartal 2025 um 34,7% gegenüber dem Vorjahr -- ein starkes Signal für das internationale Vertrauen in den vietnamesischen Markt.
Thailand zeigt mit einem BIP pro Kopf von 7.810 USD eine solide Mittelschichtbasis und ein geschätztes Wachstum von 4,2% für 2025. Die etablierte Industriestruktur und seine exponierte geografische Lage als südostasiatisches Drehkreuz machen Thailand zu einem idealen Ausgangspunkt für regionale Geschäftstätigkeiten europäischer Unternehmen.
Indonesien präsentiert sich als Südostasiens größte Volkswirtschaft mit einem BIP pro Kopf von 5.270 USD und enormem Binnenmarktpotential bei einer Bevölkerung von 285 Millionen Menschen. Das prognostizierte Wachstum von 4,8% für 2025 wird durch massive Infrastrukturinvestitionen getrieben.
Malaysia kombiniert als aufstrebende Industrienation ein BIP pro Kopf von 13.310 USD mit ähnlichen strategischen Vorteilen wie Thailand als regionales Drehkreuz und verlängerte Werkbank von Singapur. Prognosen sehen Malaysia auf dem Weg zu einem entwickelten Land mit einem erwarteten BIP pro Kopf von 26.000 USD bis 2035.
Diese wirtschaftlichen Fundamentaldaten schaffen ideale Voraussetzungen für europäische Unternehmen, die in wachstumsstarken Märkten mit steigender Kaufkraft investieren möchten.
Stahlverbrauch: Niedriges Ausgangsniveau als Marktchance
Die Pro-Kopf-Stahlverbrauchsdaten illustrieren das außergewöhnliche Wachstumspotential der Region und bieten europäischen Technologie- und Ausrüstungsanbietern einzigartige Marktchancen:
- Vietnam: 240 kg pro Kopf (etwas über dem globalen Durchschnitt von 214 kg)
- Thailand: 180 kg pro Kopf
- Indonesien: 80 kg pro Kopf
- Regionaler Durchschnitt: 110 kg pro Kopf
Besonders bemerkenswert ist das Entwicklungspotenzial beim Pro-Kopf-Stahlverbrauch in Indonesien und Malaysia, wo er noch erheblich unter dem globalen Durchschnitt liegt. Bei einer prognostizierten Urbanisierungsrate, die nach Ansicht von Experten in den nächsten zehn Jahren rapide ansteigen wird, bietet sich europäischen Unternehmen einzigartige Chancen, Technologien und Expertise in Märkte zu bringen, die vor einem mehrjährigen Wachstumszyklus stehen.
Insgesamt präsentiert sich die südostasiatische Stahlindustrie derzeit als heterogenes Gefüge nationaler Märkte mit unterschiedlichen Entwicklungsständen und strategischen Ausrichtungen. Vietnam hat sich dabei als unbestrittener regionaler Marktführer etabliert, mit einer Rohstahlproduktion von 22 Millionen Tonnen und einer Gesamtfertigstahlproduktion von 30 Millionen Tonnen im Jahr 2024, was einem Wachstum von 7 % gegenüber dem Vorjahr entspricht. Diese Zahlen unterstreichen Vietnams Position als bedeutenden regionalen Produzenten, wenngleich das Land im globalen Maßstab noch einiges entfernt von den Produktionsriesen China, Japan, Korea und Indien ist.
Während Vietnam als „Leader of the Pack“ das Tempo vorgibt, zeigen die anderen ASEAN-Stahlproduzenten ein differenziertes Bild: Thailand und Indonesien folgen als weitere wichtige Produzenten der Region, wobei ihre Wettbewerbsfähigkeit gegenwärtig zunehmend unter strukturellen Problemen leidet.
Die Produktionskosten für Rohstahl in Thailand sind nicht nur höher als in Vietnam und Indonesien, sondern auch höher als in den asiatischen Konkurrenzländern China, Indien und Japan. Diese Kostennachteile begrenzen das künftige Wachstumspotential der thailändischen Stahlproduktion erheblich und zwingen das Land zu einer strategischen Neuausrichtung hin zu höherwertigen Stahlprodukten.
Malaysia hingegen hat sich als Profiteur der internationalen Handelsumleitungen erwiesen, insbesondere durch chinesische Investitionen und die Umleitung von Handelsströmen aufgrund der US-Zollpolitik.
Indonesien kämpft trotz seiner großen Wirtschaftskraft mit veralteten Produktionsanlagen und hohen Modernisierungskosten, was die Wettbewerbsfähigkeit gegenüber den effizienteren vietnamesischen Produzenten schwächt.
Diese unterschiedlichen nationalen Ausgangspositionen führen zu einer komplexen regionalen Dynamik, die sich besonders deutlich in den Verbrauchsstrukturen und Nachfragetreibern der einzelnen Märkte widerspiegelt.
Nachfragedynamik: Bausektor und Infrastruktur als regionale Wachstumsmotoren
Der Stahlverbrauch in Südostasien wird in der gesamten Region primär von zwei Sektoren dominiert: dem Baugewerbe und der Infrastrukturentwicklung. Sowohl in Vietnam, wo der Bausektor gegenwärtig mehr als 93% der gesamten Stahlnachfrage verursacht, als auch in Thailand und Indonesien sind massive Investitionen in die Infrastrukturentwicklung und boomende Immobilienmärkte die Treiber der Stahlnachfrage.
Die Urbanisierungsdynamik verstärkt die Stahl-Nachfrage in der gesamten Region erheblich. Vietnam strebt an, die Urbanisierungsrate bis 2025 auf 45% und bis 2030 auf 50% zu steigern, während Thailand bereits bei 50% liegt und Indonesien rasant aufholt. Diese Entwicklung führt zu einem schnell steigenden regionalen Pro-Kopf-Stahlverbrauch, der sich bis 2030 nochmals beschleunigen wird.
Diese robusten Nachfragefundamente schaffen die Grundlage für das regionale Wachstum, werfen jedoch gleichzeitig die Frage nach den Produktionskapazitäten und strukturellen Herausforderungen auf, denen sich die verschiedenen nationalen Stahlindustrien gegenübersehen.
Gemeinsame strukturelle Herausforderungen: Überkapazitäten und Technologierückstand
Trotz der unterschiedlichen nationalen Ausgangspositionen kämpft die gesamte südostasiatische Stahlindustrie mit ähnlichen strukturellen Problemen, die ihre langfristige Wettbewerbsfähigkeit bedrohen.
Überkapazitäten als regionales Problem
Bedingt durch die hohe Exportabhängigkeit sehen sich die Länder der ASEAN-Region oftmals mit Überkapazitäten konfrontiert. Am deutlichsten wird das wieder am Beispiel Vietnam. wo etwa die Hoa Phat Group - Vietnams größter Stahlproduzent - im vergangenen Jahr 31% ihres Umsatzes mit Exporten machte. Ähnliche Abhängigkeiten zeigen sich auch bei thailändischen und indonesischen Produzenten, die ebenfalls in starkem Maße auf Exportmärkte setzen.
Die Überkapazitäten führen in der Region zu verschärftem Wettbewerb und verstärken abermals den Exportdruck erheblich, was wiederum zu Handelskonflikten und Handelsbeschränkungen führen kann, die am Ende allen exportierenden Ländern der Region schaden.
Technologische Rückständigkeit als gemeinsame Schwäche
Die südostasiatische Stahlindustrie basiert in der gesamten Region noch überwiegend auf dem traditionellen, emissionsintensiven Hochofen-Sauerstoffaufblasverfahren (BF-BOF). Diese Technologiewahl reflektiert historische Investitionsentscheidungen in der gesamten Region, bringt jedoch erhebliche Umweltherausforderungen mit sich.