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Thema des Monats Februar 2013

 

Automobilindustrie: Deutsche Premiumhersteller trotzen der Flaute

Die europäische Autoindustrie steckt in der schwersten Krise seit zwanzig Jahren. Nach Angaben des Branchenverbands ACEA sank im vergangenen Jahr 2012 die Zahl der PKW-Neuzulassungen in der EU um acht Prozent gegenüber dem Vorjahr und damit das fünfte Jahr in Folge. Zuletzt hatte es 2007 ein Wachstum gegeben. Mit zwölf Millionen Neuwagen wurden 2012 so wenige Autos in der EU verkauft wie zuletzt 1995. Besonders stark war der Einbruch im Dezember: Im Vergleich zum Vorjahresmonat wurden 16 Prozent weniger Autos verkauft.

In krassem Gegensatz zu der Flaute auf dem europäischen Markt steht der globale Trend: Weltweit ist die Automobilindustrie seit Jahren ein Wachstumsmarkt. 2012 war das dritte Rekordjahr hintereinander mit knapp 80 Millionen verkauften Fahrzeugen weltweit. Wachstumstreiber Nummer eins ist, wie sollte es anders sein, China.

„China hat sich zum größten Fahrzeugmarkt der Welt entwickelt und wird weiter wachsen“, prophezeite Daimler-Chef Dieter Zetsche jüngst im Handelsblatt. Denn der Nachholbedarf in den Schwellenländern ist immer noch gewaltig, der Grad der Motorisierung immer noch vergleichsweise gering. Doch nicht nur China boomt - auch in den USA gingen die Verkaufszahlen der Autohersteller 2012 nach oben.



© Photo: Jialiang Gao

Der europäische Automarkt aber schwächelt wie die gesamte Wirtschaft, an deren Konjunktur sich der Verkauf von Fahrzeugen eng orientiert. Besonders stark gingen die PKW-Verkäufe 2012 in Italien, Frankreich und Spanien zurück. Dort wurden bis zu zwanzig Prozent weniger Autos verkauft als im Vorjahr – angesichts zum Teil zweistelliger Arbeitslosenraten wenig überraschend.

In Deutschland dagegen verzeichneten die Hersteller nur leichte Einbußen, allerdings mussten auch hier die Hersteller mit zahlreichen Rabattaktionen kräftig um die Gunst der Käufer buhlen. Als einziges EU-Land verzeichnete Großbritannien nach Angaben von ACEA sogar steigende PKW-Verkäufe. Nicht nur in den EU-Ländern, auch bei den Herstellern sind die Verluste höchst ungleich verteilt.

Am härtesten traf die Absatzkrise Massenhersteller wie die französische PSA, Mutterkonzern von Peugeot und Citroen, Renault, Opel, Ford und Fiat. Ford hat bereits ein Werk in Belgien geschlossen, Opel hat die Schließung des Standorts in Bochum für 2016 angekündigt. Die Schließung eines PSA-Werks bei Paris konnte nur auf Intervention der französischen Regierung und eine Milliardenbürgschaft vorläufig abgewendet werden. Dagegen sind die so genannten Premiumanbieter weitaus weniger von der europäischen Absatzkrise betroffen. Ihr Absatz ging innerhalb der EU zwar auch leicht zurück.

Aber BMW, Daimler & Co verfügen über eine starke Stellung auf dem Weltmarkt – und profitieren so vom Wachstum der Automobilindustrie vor allem in China und den USA. Dort sind deutsche Autos gefragt wie nie und verhalfen den Herstellern 2012 zu Rekordabsätzen. BMW, Daimler und VW verkauften weltweit mehr Autos als jemals zuvor. Spitzenreiter war VW, das erstmals die Marke von neun Millionen verkauften PKW knackte.



© Photo: SMP-Salzgitter Mannesmann Precision

Von der starken Marktposition der Premiumhersteller profitieren auch wichtige Zulieferindustrien, wie etwa die Stahlrohrindustrie. „Die starke Stellung der deutschen Premiumanbieter auf dem Weltmarkt kompensiert derzeit noch weitgehend die Schwäche des Gesamtmarktes in Europa“, sagt Frank Harms, Geschäftsführer der Wirtschaftsvereinigung (WV) Stahlrohre.

Nach Angaben der WV Stahlrohre nehmen in Deutschland die Automobilindustrie und deren Zulieferer rund 15 Prozent der Stahlrohrproduktion ab. Ein Großteil davon sind nahtlose und geschweißte Präzisionsstahlrohre. Diese werden beispielsweise als Quer- und Längsträger sowie als Türverstärkerrohre in der Karosserie, als Stabilisatoren und Stoßdämpferrohre im Fahrwerk oder als Kurbel- und Nockenwellenrohre sowie als Dieseleinspritzrohre im Antrieb verbaut.

Auch im Innenraum sind sie in Form von Airbagrohren, in den Sitzen oder als Armaturenträger zu finden. Auch der Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie (ZVEI) meldet für 2012 in der Sparte KFZ-Elektronik nur leichte Verluste.




Ausblicke

Was aber, wenn auch VW & Co anfangen zu schwächeln? Schließlich sind die Aussichten für den europäischen Automarkt nach Meinung der meisten Experten auch 2013 alles andere als rosig. „Bei einer weiter nachlassenden Automobilkonjunktur“, sagt Harms, „wird die derzeit insgesamt noch gute bis sehr gute Kapazitätsauslastung in der Stahlrohrindustrie zurückgehen.“ Vieles spricht jedoch dafür, dass die globale Automobilindustrie 2013 weiter wächst und deutsche Hersteller die Stagnation auf dem europäischen Markt anderswo kompensieren können.

„In Europa wird es in diesem Jahr weiter abwärts gehen. Dank der Absatzzuwächse gerade in China und den USA dürften die deutschen Hersteller aber ohne allzu große Blessuren durch die Krise kommen und insgesamt weiter Marktanteile gewinnen“, zitiert das Handelsblatt einen Experten der Wirtschaftsberatung Ernst & Young. Auch Frank Harms sieht für seine Branche keinen Grund zu Schwarzmalerei: „Wir erwarten, von der vor allem auf den Exportmärkten stabilen Position der deutschen Hersteller weiterhin zu profitieren.“

Florian Wassenberg

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