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Thema des Monats Juli 2012

 

Solarstrom – Subvention oder Wettbewerbsfähigkeit

Photovoltaik-Anlagen haben nach Angaben des Bundesverbandes Solarwirtschaft (BSW-Solar) in Deutschland im Jahr 2011 mehr als 18 Mrd. kWh Strom produziert. Das sind 60% mehr als im Jahr zuvor und entspricht in etwa der Strommenge, mit der rein rechnerisch mehr als 5 Mio. Haushalte ein Jahr lang versorgt werden könnten. Seit dem Eckpunktepapier des Bundeskabinetts zur Energiewende im Juni 2011 sind in Deutschland rund 400.000 neue Solaranlagen errichtet worden. Sieben Millionen Menschen leben hierzulande bereits in Gebäuden, die zur Strom- oder Wärmeversorgung Solarenergie nutzen. Und keine andere Energieform erfreut sich – quer durch alle Bevölkerungsschichten – einer so großen Beliebtheit wie die Solarenergie.

(Photo: BSW-Solar)

Diese rasante Entwicklung hat ihre Ursache nicht nur in den gestiegenen Preisen für fossile Energieträger. Ein weiterer Grund für die hohe Nachfrage sind auch die stark sinkenden Kosten für die Solartechnik. Allein seit 2007 haben sich die Preise für schlüsselfertige Solarstrom-Anlagen mehr als halbiert. Photovoltaik genießt außerdem durch ihre verbrauchernahe Erzeugung und ihren zügigen Ausbau bei rasant sinkenden Kosten eine hohe Akzeptanz beim Bürger. Und nach einer nochmaligen Reduzierung der Solarstromvergütung in 2012 hat Solarstrom das Preisniveau von Haushalts-Stromtarifen mittlerweile unterschritten.

Dezentralität – also die Erzeugung in Verbrauchernähe, leichte Installation und Wartung, unbegrenzte Verfügbarkeit, Erzeugung nahezu ohne direkte Konkurrenz zu anderen Nutzungen und zu den Zeiten des Tages mit höchstem Verbrauch, also Abdeckung der Spitzenlast: all diese Vorteile sprechen für eine rasche Amortisation von Solarenergie-Anlagen; frei Haus kommt für den Endverbraucher dazu noch das „gute Gefühl“ einer nachhaltigen und CO2-armen Energieerzeugung.

So weit - so gut. Doch die Solarwirtschaft des Jahres 2012 begegnet hartem internationalem Wettbewerb, Überkapazitäten und unsteter Förderpolitik. Die regierungsseitig geplanten signifikanten Kürzungen bei der Solarstrom-Förderung haben schon vor ihrem eigentlichen Inkrafttreten großen Schaden in der Branche verursacht: nach einer Umfrage des BSW-Solar verzeichneten Photovoltaik-Unternehmen im April dieses Jahres bereits einen Umsatzeinbruch von über 50 Prozent. In den nächsten Monaten und auch für das Jahr 2013 wird unter diesen Umständen mit weiteren Auftragsrückgängen gerechnet. Mehr als die Hälfte der Solarstromunternehmen entlassen bereits Mitarbeiter.

Angesichts solch dramatischer Zahlen appellierte die Solarbranche an den Bundesrat, die drastischen Einschnitte zu entschärfen. Am 11.05. kam im Bundesrat die für die Anrufung eines Vermittlungsverfahrens notwendige Mehrheit zustande; damit steht das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) mit seinen geplanten Förderkürzungen für Solarstrom jetzt in der Länderkammer auf der Tagesordnung. Damit darf die Solarbranche zwar hoffen, dass bei den Förderkürzungen noch einmal nachgebessert wird. Sollte es aber zu keiner Einigung im Vermittlungsverfahren kommen, kann die Novelle des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes nur noch mit einer Zweidrittel-Mehrheit vom Bundesrat aufgehalten werden.

„Die viel zu starken Einschnitte bei der Solarstrom-Förderung haben das Investitionsklima in Deutschland vergiftet, die Umsätze einbrechen lassen und bereits weit über 10.000 Menschen ihren Solar-Job gekostet“, kritisiert Carsten Körnig, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Solarwirtschaft e.V. (BSW-Solar). „Nur die Bundesländer können den Schaden jetzt noch begrenzen. Ihr Widerstand muss die Bundesregierung jetzt zum Einlenken bewegen“, so Körnig. Die Solarbranche fordert die Landesministerpräsidenten auf, sich schützend vor die Beschäftigten der Branche zu stellen und die Kürzungspläne über den Bundesrat deutlich abzumildern.



Photo: BSW-Solar

Seit dem Herbst 2009 wurde das entscheidende Erneuerbare-Energien-Gesetz viermal zum Teil grundlegend geändert; zuletzt ist gerade erst am 1. Januar 2012 eine Neufassung des Gesetzes in Kraft getreten. Nun soll rückwirkend zum 1. April 2012 erneut - zum Nachteil der Solarstrombranche - eingegriffen werden. Dabei kritisiert der BSW-Solar, dass „ohne nachvollziehbaren Grund eine ganze Zukunftsbranche aufs Spiel gesetzt“ werde. Denn sachlich fundierte Gründe für eine derart drastische Reduktion der Solarstrom-Förderung gebe es nicht. Der weitere Ausbau der Solarenergie fiele, auch nach Expertenmeinung, kostenseitig kaum noch ins Gewicht und wäre technisch zweifelsfrei realisierbar. Körnig: „Die Bundesregierung muss sich endlich klar zur Energiewende bekennen. Jetzt entscheidet sich, ob Deutschland auch die ökonomischen Früchte seiner Pionierrolle ernten wird oder diese anderen Ländern überlässt.“

Die stark gesunkene Solartechnik-Preise haben die sogenannten ‚Gestehungskosten’ für Solarstrom nicht nur in Regionen mit sehr hoher Sonneneinstrahlung, sondern in ganz Deutschland inzwischen unter den Endkundenstrompreis fallen lassen. Vor vier Jahren waren sie noch knapp fünfmal so hoch. Die gesunkenen Preise führen auch dazu, dass sich inzwischen auf allen Kontinenten schnell wachsende Solartechnik-Absatzmärkte etablieren. Das Ausland setzt ebenfalls zunehmend auf Solarenergie, was eine vage Hoffnung auf neue Märkte nährt. Mit einer besonders stark anziehenden Nachfrage wird in diesem Jahr unter anderem in den USA, in Japan und in China gerechnet. Auch für viele Entwicklungs- und Schwellenländer wird Solartechnik aufgrund des starken Preisverfalls zunehmend interessant. Mit dem dort noch immer weit verbreiteten Strom aus Dieselgeneratoren ist Solarstrom inzwischen wettbewerbsfähig. Bei aller Aufbruchsstimmung werden deutsche Solarunternehmen jedoch angesichts des rauen Wettbewerbsklimas noch für einige Jahre auf verlässliche politische Rahmenbedingungen angewiesen sein.

Um die Energiewende zum Erfolg zu führen, will die Solarwirtschaft in den nächsten Jahren mit der Wissenschaft sowie den Vertretern der konventionellen Energiewirtschaft und verwandten Branchen noch stärker kooperieren. „Alle Kräfte, die die Energiewende ernsthaft betreiben wollen, müssen jetzt an einem Strang ziehen“, so BSW-Solar-Hauptgeschäftsführer Carsten Körnig, „Aufgabe der Politik ist es, über den Vorrang der Erneuerbarer Energien zu wachen und die Transformation des Energiesystems zielgerichtet zu steuern. Bei diesem komplexen Prozess muss eine Vielzahl an Maßnahmen zeitlich und inhaltlich gut aufeinander abgestimmt werden.“

Links und Info: Bundesverband Solarwirtschaft
Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Greenpeace Deutschland



Nachtrag: Laut aktuellem Beschluß des Vermittlungsausschusses soll es bei den geplanten starken Kürzungen der Photovoltaik-Einspeisetarife zum 1. April um bis zu über 30 Prozent bleiben. Gleichzeitig wird im mittleren Anlagensegment eine Größenklasse zwischen 10 und 40 Kilowatt für größere Dachanlagen geschaffen.

Zur Verabschiedung der Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes
(EEGÄG) erklärt der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Solarwirtschaft e.V. (BSW-Solar), Carsten Körnig: "„Ein Super-Gau bei der der Solarstromförderung konnte gerade noch verhindert werden. Die durch den Einspruch der Bundesländer erzielten Nachbesserungen an den Kürzungsplänen haben dazu geführt, dass Deutschland als Photovoltaik-Markt attraktiv bleiben dürfte. [...] Die Herausforderung liegt jetzt darin, den Eigenverbrauchsanteil durch intelligente Verbrauchersteuerung und den Einsatz von Speichern zu erhöhen. [...]

Bedauerlich ist, dass für Investitionen in größere Solarprojekte die Solarstrom-Vergütung zu stark zurückgefahren wird. Unverständlich ist, dass die Bundesregierung auf der einen Seite feststellt, dass der Ausbau erneuerbarer Energien beschleunigt werden müsse, um den vorgezogenen Atomausstieg zu kompensieren, auf der anderen Seite daraus aber nicht die Konsequenzen zieht, die Ausbauziele für die Solarenergie anzuheben. Die Regierung nutzt die riesigen Potenziale der Solarenergie im Strom- und Wärmebereich und das hier vorhandene große Bürgerengagement weiterhin nur halbherzig."

zur Pressemeldung: BSW-Solar, Pressebereich




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