Uwe Kerkmann war schon immer fasziniert von Innovationen. Sein neuestes Projekt ist der H2UB, eine Plattform, die Start-ups aus der Wasserstoffbranche miteinander vernetzt, sichtbar macht und für den Markteintritt vorbereitet. Im Interview erklärt er, was Wasserstoff-Start-ups ausmacht und warum der Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft auf sie angewiesen ist.
gwf: Herr Kerkmann, wie kamen Sie zum H2UB?
Uwe Kerkmann: Der eigentliche Gründungsimpuls geht auf die OGE zurück. Dort beschäftigte man sich mit der Frage: Was kommt nach dem Erdgas? Sind wir auf die Wasserstoffwirtschaft vorbereitet? Gibt es eigentlich Start-ups im Wasserstoffbereich? Und wenn ja: Kümmert sich einer darum? Und wenn nicht: Sollten wir uns nicht darum kümmern? Eine Projektstudie für das Land NRW bejahte diese Frage. Man gründete eine Projektgesellschaft aus RAG-Stiftung, OGE und TÜV SÜD, bekam eine Förderzusage des Landes für fünf Jahre und konnte viele Partner aus der Industrie als Unterstützer gewinnen. Der Sitz kam nach Essen, das Zentrum der Energie- und industriellen Transformation. Ich hatte bereits einen Hub für digitale Start-ups mit aufgebaut und mich seither intensiv mit der Wasserstoff-Start-up-Szene insbesondere in NRW beschäftigt, sodass man mir die Projektleitung anbot.
gwf: Was war Ihr Hauptziel?
Kerkmann: Kurz gesagt: Start-ups identifizieren, zusammenbringen und unterstützen. Der Grundkonsens war, dass Startups einen wichtigen Beitrag zum Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft leisten können, da dieser Markt sehr groß wird und zahlreiche Innovationsimpulse braucht. Die Zahl der Wasserstoff-Start-ups ist noch klein; Ziel muss es sein, dieses Thema europäisch anzugehen. Das Land Nordrhein-Westfalen bezuschusst das Projekt mit 5 Mio. €, wir werden aber nur zur Hälfte vom Land gefördert, die andere Hälfte tragen private Unternehmen. Das ist wichtig, da wir so immer das Korrektiv und die Unterstützung aus der Wirtschaft haben. So konnten wir das Projekt mit acht Stellen aufbauen.
gwf: Das war im Herbst 2021. Wie lief Ihr erstes Jahr?
Kerkmann: Das erste Jahr diente der Orientierung und dem Kennenlernen der Start-ups. Mittlerweile wissen wir, dass es in Europa ungefähr 270 gibt, über sechzig davon in Deutschland. Warum sind es nicht mehr? Eine wichtige Erkenntnis für uns war: Wo kein Markt, da keine aktive Start-up-Szene! Der Wasserstoffmarkt erfordert hohe Investitionen und technisch-naturwissenschaftliches Fachwissen – da macht man sich nicht ohne Weiteres selbstständig, wenn es keine aktiven Marktanreize gibt.
gwf: Wie geht man bei einer Start-up-Suche vor?
Kerkmann: Indem Sie Unternehmensdatenbanken durchforsten und prüfen, wer sich mit Wasserstoff beschäftigt. Zudem gibt es großes Potenzial an Universitäten und in Forschungsinstituten. Viele regionale Netzwerke in Deutschland und Europa arbeiten ebenfalls mit den dort ansässigen Start-ups zusammen. Dieses Potenzial bündeln wir, indem wir diese Partner kontaktieren und die Start-ups einladen, bei uns aktiv zu sein. Außerdem kooperieren wir mit Hochschulen in Deutschland, als nächstes wollen wir europäische Hochschulen und Netzwerke einbeziehen. Zum Glück war das Ministerium so weitsichtig, das Ganze als europaweites Projekt anzulegen – in der berechtigten Annahme, dass die Marktfaktoren hier bei uns so gut sind, dass sich junge Unternehmen in NRW ansiedeln werden. Dementsprechend haben wir auch internationale Unternehmen in unseren Gruppen, z. B. aus Großbritannien, Israel, Frankreich und den Niederlanden.
gwf: Also finden Sie die Start-ups, und nicht umgekehrt?
Kerkmann: Beides. Durch unsere Präsenz auf Branchen-Veranstaltungen – wir waren auf der Hydrogen Week in Brüssel, bei der E-World, der decarbXpo und der Hannover Messe – und Partnerschaften wie mit Hydrogen Europe werden wir immer häufiger gefunden. Über LinkedIn oder per E-Mail erreichen uns inzwischen Anfragen aus der ganzen Welt. Darunter sind viele, die wir sonst nicht gefunden hätten, etwa weil sie als Spin-off etablierter Unternehmen in keiner Start-up-Datenbank sind oder aber noch vor der Unternehmensgründung stehen.
gwf: Gibt es „das typische Wasserstoff Start-up“?
Kerkmann: Überhaupt nicht. Wir haben früh gemerkt, dass wir nicht mit einer klassischen Start-up-Definition arbeiten können: jung, maximal fünf Jahre auf dem Markt, Umsatz X und Ähnliches. Manche unserer Start-ups wurden schon 2001 gegründet! Viele sind Expert:innen aus dem universitären Kontext, die eine Idee zur Effizienzsteigerung, zur kostengünstigeren Nutzung oder Erzeugung von Wasserstoff haben. Darunter sind auch ehemalige Manager:innen und Wissenschaftler:innen etablierter Unternehmen und Institute. Es gibt eine große Heterogenität in punkto Alter; wir haben Studierende genauso wie Senior:innen, die sich seit den 80er Jahren mit Wasserstoff beschäftigen. Was die Startups eint, ist echte Überzeugungstäterschaft. Alle glauben, dass Wasserstoff ein großes Thema werden muss, weil die Energie- und Mobilitätswende nicht anders funktioniert. Insofern ist das eine stark intrinsisch getriebene Gruppe.
gwf: Und wie genau unterstützen Sie die Start-ups?
Kerkmann: Fördern, vernetzen, entwickeln. Zunächst ist es wichtig, sich kennenzulernen. Dazu führen wir geschlossene Meetups durch, in denen die Start-ups sagen, was sie bewegt und was sie benötigen. Typisch sind einerseits Förder- und Finanzierungsfragen, andererseits der fehlende Zugang zu Unternehmen und Branchen und der Zugang zu praktischen Anwendern und der Forschung. Auch Patente sind ein Thema. Entsprechend den Bedürfnissen unserer Start-ups haben wir verschiedene Formate wie den Online-„Deep Dive“ aufgesetzt. Hier informieren und diskutieren wir über Aspekte der Wasserstoffwirtschaft, zu den verschiedenen Themen, die die Start-ups interessieren. Für die intensivere Betreuung gibt es Accelerator Programs, bei denen Start-ups, momentan vier pro Durchgang, über zehn Wochen von Mentor: innen aus der entsprechenden Branche individuelle unterstützt und beraten werden: Was ist mein nächster Schritt, wer ist mein Kunde, wer mein Finanzierungspartner? Damit haben wir bislang acht sehr unterschiedliche Teams betreut. Wir bieten also sowohl individuelle Intensivprogramme an als auch Bootcamps für junge oder (noch) nicht gegründete Start-ups. Das ergänzen wir mit europäischer Vernetzung über Wasserstoff-Veranstaltungen, auf denen wir mit den Start-ups Infostände organisieren.
gwf: Ihr erstes Jahr diente der Orientierung. Wie geht es nun weiter?
Kerkmann: Wir kommen jetzt in die zweite Phase, das Sortieren. Wir schauen, wo es in Europa thematische Schwerpunkte gibt und wo wir mit unseren Start-ups andocken können. Danach werden wir uns auf Kernthemen fokussieren: Wollen wir weiterhin die gesamte Wertschöpfungskette abdecken, oder uns auf Teilgebiete konzentrieren, in denen Start-ups den größten Impact leisten können? In der Wasserstoffbranche ist viel in Bewegung; noch kann keiner sagen, welche Technologien und Trends sich durchsetzen werden.
gwf: Warum fördern Sie dann Start-ups, und nicht die Innovationsbemühungen mittelständischer Unternehmen?
Kerkmann: Hier kommt eine innovationstheoretische Komponente ins Spiel: es ist wichtig, Impulse „von der Seite“, aus einer anderen Branche oder Warte zu bekommen. Man kann nicht darauf warten, dass Firmen in einem nicht marktgetriebenen Segment wie dem Wasserstoffmarkt an der Dekarbonisierung – oder Defossilisierung – ihrer Prozesse arbeiten. Das tun sie in der Regel nur, wenn sie damit Geld verdienen können oder es keine Alternative gibt. Diese Sorge hat ein Start-up nicht; es hat eine Idee und erprobt sie an der Realität. Erfreulicherweise finden wir derzeit Unternehmen, die sagen „Das finden wir smart, lasst uns diese Innovationsimpulse aufnehmen – mit welchem Ziel, werden wir sehen.“ Es gibt eine immense Neugier bei den großen Firmen. Start-ups werfen einen neuen Blick auf die Dinge, wie zum Beispiel Wasserstoff in Wasser zu speichern, oder Wasserstoff in Motoren ohne Brennstoffzelle einzusetzen. Der einfachste Grund für Start-ups ist: Es gibt so viel zu tun, dass man es mit den heute verfügbaren Ressourcen gar nicht schaffen kann. Es müsste zehn Mal so viele Akteure geben – nein: 50-Mal so viele.
gwf: Herr Kerkmann, vielen Dank für das Gespräch.