gwf: Von welchen Kosten spricht man bei der Umstellung auf Wasserstoff?
Bleschke: Wir haben in einer umfangreichen Studie versucht, jeweils einen für Deutschland durchschnittlichen Kavernen- und Porenspeicher zu definieren. Dabei wurde festgehalten, welche Speicher es gibt, welche Bauteile verbaut worden sind und welche Komponenten bis zu welchen Graden Wasserstoff vertragen, bzw. ab welchem Beimischungsgrad von Wasserstoff die Komponenten gegebenenfalls ausgetauscht werden müssen. Die Kosten für die Umstellung von Gas auf Wasserstoff wurden dann sowohl für den beispielhaften Kavernen- als auch für Porenspeicher anhand der technischen Erwartungen durchgerechnet. Im Fall des Kavernenspeichers, der ca. 1 TWh Wasserstoff lagern könnte, entstünden bei der Umstellung Kosten in Höhe von 47 Mio. €. Im konservativen Fall, wenn mehr Komponenten ausgetauscht werden müssten, sind 84 Mio. € für die Umwidmung erforderlich. Bei den Porenspeichern ergibt sich ein ähnliches Bild. Im optimistischen Fall liegt man dort bei 29 Mio. €; im konservativen Fall bei 60 Mio. € für 1,1 TWh Kapazität. Das Ergebnis für Porenspeicher ist aber auf die Einzelspeicher kaum übertragbar, weil der Gasspeicher Rehden fast die Hälfte der Kapazität ausmacht und das Ergebnis verzerrt. Gerade bei kleineren Porenspeichern steigen die spezifischen Kosten an.
gwf: Welche Kosten ergeben sich dann unterm Strich?
Bleschke: Wir haben im Rahmen der Studie auch einen kompletten Transformationspfad auf Basis der BMWK-Langfristszenarien durchrechnen lassen: Für die Umstellung der Kavernenspeicher in Deutschland entstehen in dieser Modellierung Umstellungskosten von 45 €/MWh und bei den tauglichen Porenspeichern liegen die Kosten bei 109 €/MWh. Bei der Umstellung der angenommenen Potenziale zeigt sich also, dass die Umstellung von Kavernenspeichern günstiger ist als die Umstellung von Porenspeichern, sofern diese tatsächlich für die Speicherung von Wasserstoff geeignet sind.
gwf: Und wie viel kostet der Neubau von Gasspeichern?
Bleschke: Für den Neubau wurde nur ein Kavernenzubau betrachtet, weil das Salzgestein für die Wasserstoffspeicherung als grundsätzlich geeignet angesehen werden kann. Für neugebaute Kavernenspeicherkapazitäten ergaben die Berechnungen 269 €/MWh. Die Umwidmung sowohl von Kavernen- als auch von Porenspeichern ist also deutlich kostengünstiger als ein Neubau. Wird die Elektrifizierungsstrategie des BMWK, d. h. das Langfristszenario TN-Strom, zugrunde gelegt, dann erfordern die Umstellung und der Neubau der erforderlichen Wasserstoffspeicherkapazitäten knapp 13 Mrd. € Investitionskosten. Für eine kleine Branche wie die Speicherbranche, ist das ein großes Investitionsvolumen, auch wenn die Kosten im Rahmen der Energiewende insgesamt vermutlich kaum ins Gewicht fallen.
gwf: Wird es Förderung vom Bundeswirtschaftsministerium geben?
Bleschke: Auf jeder Wasserstoffveranstaltung wird von Fördermitteln für Elektrolyseure und Netze gesprochen, aber das Thema Wasserstoffspeicher findet noch zu wenig Beachtung. Zwar sind Wasserstoffspeicher und Wasserstoffnetze zwei unterschiedliche Infrastrukturbereiche, weil Netze im Gegensatz zu Speichern ein natürliches Monopol darstellen. Das Henne-Ei-Problem ist in beiden Fällen allerdings gleich. Die ersten Kunden können das Investment für eine große Wasserstoffinfrastruktur, wie es auch die Speicher sind, nicht tragen. Um das Henne-Ei-Problem aufzulösen, sind Förderinstrumente von großer Bedeutung, denn es gibt einfach noch keinen ausreichend großen Markt, um Investitionen umzusetzen. Die heutigen Förderinstrumente sind aber leider noch nicht optimal. Nicht nur, dass lange auf die Genehmigungen gewartet wird: Die Transparenz und Zugänglichkeit für Wasserstoffspeicher-Projekte könnte bei vielen Förderinstrumenten sicher verbessert werden.
gwf: Haben Sie wie die Transportnetzbetreiber das Problem, dass Sie nicht gleichzeitig einen Erdgas- und einen Wasserstoffspeicher betreiben dürfen?
Bleschke: Die Bereiche Speicher und Netze sind in dieser Hinsich nicht vergleichbar, das liegt insbesondere am Regulierungsrahmen. Bei den Gasnetzen schauen wir auf eine perspektivisch vollregulierte Infrastruktur. Bei Wasserstoffspeichern ist das anders. Eine Zugangsregulierung ist hier nachvollziehbar, aber eine Entgeltregulierung braucht es nicht. Da die Entgelte nicht reguliert sind und sich grundsätzlich im Wettbewerb bilden, stellt sich die Frage nach einer horizontalen Entflechtung bei Speichern gar nicht. Vor diesem Hintergrund halte ich die mit dem EnWG geschaffene Übergangsregulierung bereits für sehr passgenau. Es bleibt aber abzuwarten, wie das europäische Gasmarkt-Paket aus dem Trilog herauskommen wird und welche Veränderungen die Regelungen für den nationalen Rechtsrahmen zu Wasserstoff mit sich bringen.
gwf: Was bewirkt die horizontale Entflechtung im Netzbereich?
Bleschke: Im Netzbereich dient die horizontale Entflechtung zwischen Wasserstoff und Gas dem Ziel, dass die Wasserstoffnetzentgelte auch wirklich für die Wasserstoffnetze gebildet werden, wobei wir zum jetzigen Zeitpunkt überhaupt keine Entgeltregulierung brauchen. Der Gasbereich sollte vom Wasserstoffbereich sauber getrennt sein, sodass keine Quersubventionierung stattfinden kann. Anderenfalls würden die heutigen Gasendkunden, d. h. vor allem die mit Gas heizen- den Haushaltskunden, über ihre Netzentgelte die Wasserstoffnetze der Industriekunden refinanzieren. Eine solche Quersubventionierung hat die Bundeszentrale Verbraucherschutz zurecht kritisiert und klar abgelehnt. Denn wenn man betrachtet, dass die Wärmeversorgung zukünftig sehr stark auf elektrische Wärmepumpen aufbauen soll, dann besteht natürlich eine große Unsicherheit, ob die Haushaltskunden Investitionen in Netze finanzieren, die sie selbst künftig wirklich brauchen.
gwf: Die Trennung ist also wichtig?
Bleschke: Ja, diese klare Trennung einer bedarfsgerechten Netzentwicklung erschient uns sehr wichtig. Wenn die Leitungen langfristig durch die tatsächlichen Nutzer refinanziert werden müssen, ist der Druck hoch, sich darüber Gedanken zu machen, welche Kunden es im Wasserstoffbereich geben wird bzw. wer das Netz tatsächlich benötigen wird. Wenn überdimensionierte Wasserstoffnetze auf Zahlungen von heutigen Gaskunden aufgebaut werden, die dann aber vielleicht durch Umstellung auf Wärmepumpen wegfallen, dann entstehen Netzentgeltrisiken für die verbleibenden Nutzer. Darauf sollte insbesondere die Industrie ein Auge haben.
gwf: Trotz der Befürchtungen einer Mangellage ist auch immer häufiger von einer zukünftigen LNG-Überkapazität die Rede. Wie passt das zusammen?
Bleschke: Die Diskussion wird aus meiner Sicht auf der zeitlichen Ebene nicht genügend differenziert. Für den kommenden Winter fehlt Kapazität. Die geplanten 150 TWh/Jahr LNG-Terminalkapazitäten sind unzureichend, um den kommenden Winter vollständig abzusichern. In der Planung bis 2027 soll die Kapazität aber auf 600 TWh pro Jahr anwachsen. Wenn die Planung realisiert wird, könnten wir in 2027 zwei Drittel des heutigen Jahresgasbedarfs alleine über die neuen LNG-Terminals importieren. Nachdem wir aber im letzten Winter den Bedarf in Höhe von 880 TWh auch ohne diese zusätzlichen Terminals bewältigt haben, ist anzunehmen, dass die 600 TWh überdimensioniert sind.
gwf: Wie viel LNG-Kapazitäten brauchen wir?
Bleschke: Natürlich müssen Infrastrukturen auf kalte Temperaturen ausgelegt werden und auch den Ausfall der größten einzelnen Infrastruktur, d. h. den N-1-Fall aushalten. Wir haben das im Rahmen unserer Modellierungen untersucht. Wir haben ein Szenario gerechnet, in dem der Winter extrem kalt ist und zusätzlich die größte Importstation für norwegisches Gas – das ist Dornum mit einer Importkapazität von 320 TWh pro Jahr – ausfallen würde. Selbst in diesem Extremfall würden 550 TWh LNG-Terminalkapazitäten ausreichen. Die Terminalkapazitäten würden nicht nur die Versorgungssicherheit in Deutschland herstellen, sondern die aller EU-Mitgliedstaaten. 550 TWh sind also eher das Maximum, das wir an LNG-Terminalkapazitäten in der kurzen Frist benötigen. Da sich bis 2027 die Gasverbräuche aber voraussichtlich reduzieren werden, müsste der Bedarf über die Zeit sogar noch weiter abnehmen. Wir haben deshalb den Eindruck, dass die Realität in den nächsten Jahren die Planungen überholen wird. Damit keine Überkapazitäten entstehen, sollte man im Rahmen der LNG-Terminal-Planung die Verbrauchssituation genau im Blick behalten.
gwf: Es wird häufig argumentiert, dass die LNG-Terminals auch für den zukünftigen Wasserstoffimport gebraucht werden und deshalb keine Überkapazitäten entstehen. Halten Sie das für eine valide Einschätzung?
Bleschke: Wenn man den BMWK-Langfristszenarien folgt, dann wird bis 2045 ein Wasserstoffimport-Bedarf von rd. 180 TWh entstehen. Das BMWK weist in einem Bericht zu den in Deutschland geplanten LNG-Terminals eine landgebundene Kapazität in Höhe von knapp 380 TWh aus. Wenn bei der Umwidmung eines LNG-Terminals auf Wasserstoff, z. B. Ammoniak, aufgrund des geringeren Energiegehaltes von Wasserstoff ein Drittel der Kapazität verloren geht, sieht die Planung also 250 TWh Importkapazität vor. Selbst wenn die FSRU alle abgestoßen werden, kann über die geplanten landgebundenen Terminals demnach mehr Wasserstoff importiert werden, als das BMWK derzeit im Rahmen des politisch angestrebten Szenarios als Bedarf für Deutschland insgesamt erwartet. Während im Bereich der LNG-Terminals ggf. Überkapazitäten entstehen, ist noch völlig unklar, wie der hohe Bedarf an Wasserstoffspeichern zukünftig gedeckt werden kann. Wir empfehlen der Politik deshalb, sich von der recht einseitigen Fokussierung auf das Thema der LNG-Terminals wieder zu lösen.
gwf: Was würden Sie sich von der Politik noch wünschen?
Bleschke: Für die Gegenwart wünsche ich mir, dass man mit Hochdruck versucht, die Gasversorgungssicherheit für den kommenden Winter wieder herzustellen. Im Grunde ist dieser Wunsch aber bereits erfüllt, denn die Politik versucht hier, wirklich alles in Bewegung zu setzen. Mittelfristig wäre mein Wunsch, dass man neben LNG-Terminals auch andere Infrastrukturen, insbesondere Speicher, in die Planung mit einbezieht. Da sehe ich noch große Defizite. Und auf die lange Sicht würde ich mir wünschen, dass man überlegt, wie die erforderlichen Wasserstoffspeicherkapazitäten entwickelt werden können, die zur Umsetzung der Energiewende erforderlich sind. Meiner Meinung nach muss das Ganze im Rahmen eines Gesamtkonzepts bearbeitet werden. Für die lange Frist sieht das BMWK bereits vor, ein Wasserstoffspeicherkonzept zu erarbeiten. Vielleicht ist dies ein geeigneter Anfang, um zielgerichtete politische Maßnahmen auch für die früheren Zeithorizonte zu entwickeln, sodass am Ende ein Transformationspfad steht, dem die Branche gut folgen kann.
gwf: Herr Bleschke, vielen Dank für das Gespräch!