Die Stahlindustrie in Deutschland hat im Jahr 2024 insgesamt 37,2 Millionen Tonnen Rohstahl produziert. Obwohl dies einem Zuwachs von rund 5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr entspricht, bleibt die Produktionsmenge bereits das dritte Jahr in Folge unter der Marke von 40 Millionen Tonnen. Damit bewegt sich die Branche weiterhin auf einem Niveau, das für eine rezessive Entwicklung spricht.
Auch die übrigen wirtschaftlichen Kennzahlen deuten auf eine anhaltende Schwäche der Branche hin. Insbesondere die Nachfrage auf dem deutschen Stahlmarkt ist nach wie vor außerordentlich gering. Analog zur rückläufigen Rohstahlproduktion sank auch die Marktversorgung zum dritten Mal in Folge. Mit rund 27 Millionen Tonnen verzeichnete sie einen Rückgang von 7 Prozent und erreichte damit einen historischen Tiefstand. Seit 2017 hat der deutsche Markt insgesamt rund ein Drittel seines Volumens verloren – ein drastischer Einbruch, der nicht nur im internationalen Vergleich, sondern auch innerhalb der EU besonders ins Auge fällt.
Wirtschaftsvereinigung Stahl warnt: „Die Politik muss jetzt handeln“
Kerstin Maria Rippel, Hauptgeschäftsführerin der Wirtschaftsvereinigung Stahl, warnt angesichts dieser Entwicklung eindringlich vor den Folgen:
„Die Politik muss jetzt endlich vom Reden ins Handeln kommen. Dem Industriestandort Deutschland geht es schlecht. Und dem Industriestandort ist es egal, ob gerade Wahlkampf herrscht.“
Besonders problematisch ist laut Rippel der massive Anstieg von Billigimporten im Stahlsektor sowie die anhaltend hohen und international nicht wettbewerbsfähigen Energiekosten. Beides stelle die Unternehmen in Deutschland vor erhebliche Herausforderungen und bedrohe in manchen Fällen sogar ihre Existenz. Inzwischen stammt bereits jede dritte in der EU verbrauchte Tonne Stahl aus Drittstaaten außerhalb der Union. Gleichzeitig führten allein die Netzentgelte im vergangenen Jahr zu zusätzlichen Kosten von 300 Millionen Euro für die Stahlproduzenten in Deutschland.
Forderung nach schnellem politischen Handeln in Berlin und Brüssel
„Wir brauchen jetzt entschiedenes Handeln in Berlin und Brüssel. Konkret muss die neue Bundesregierung in den ersten 100 Tagen die Wiedereinführung der Netzentgelt-Zuschüsse in voller Höhe von 5,5 Milliarden Euro angehen – und das rückwirkend zum 1. Januar 2025. Und es erfordert einen starken deutschen Auftritt in Brüssel, der klar macht: Wir brauchen jetzt einen wirksamen Schutz vor unfairem Handel. Spätestens seit dem Trump-Amtsantritt kann sich niemand mehr in der Politik hinter dem Argument der „WTO-Kompatibilität“ verstecken“, mahnt die Verbandschefin.
Keine Besserung in Sicht – Konjunkturelle Risiken bleiben hoch
Auch für das laufende Jahr gibt es nach Einschätzung von Dr. Martin Theuringer, Geschäftsführer und Chefvolkswirt der Wirtschaftsvereinigung Stahl, wenig Hoffnung auf eine konjunkturelle Trendwende:
„Die Investitionsnachfrage in Deutschland bleibt weiter schwach. Hinzu kommen erhebliche außenwirtschaftliche Risiken, etwa mit Blick auf die Handelspolitik in den USA oder auch die Konjunktur in China. Bereits im vergangenen Jahr haben chinesische Billigimporte die ohnehin schwierige Lage weiter verschärft. Damit die Stahlnachfrage und auch Produktion in Deutschland wieder anziehen, braucht es dringend neue Impulse auf verschiedenen Feldern, insbesondere bei der Stärkung der Investitionsbedingungen.“
Stahlbranche fordert politische Unterstützung für den Industriestandort Deutschland
Angesichts dieser Entwicklungen ist die Stahlbranche weiterhin auf politische Unterstützung angewiesen, um Wettbewerbsnachteile auszugleichen und den Industriestandort Deutschland langfristig zu sichern.
Quelle: Wirtschaftsvereinigung Stahl