Im Auftrag der Initiative Energien Speichern e.V. (INES) hat die Aurora Energy Research GmbH eine Kurzanalyse zum Wasserstoff-Kernnetz erarbeitet.
Insbesondere sollten unterschiedliche Nachfrage- und Angebots-Szenarien bei der Planung des H2-Netzes und der daraus abzuleitenden Importkapazitäten betrachtet werden, um eine effiziente Entwicklung der Wasserstoffnetze zu erreichen.
FBN-Antragsentwurf: rund 10.000 km H2-Netz mit 279 TWh Verbrauchskapazität ausgewiesen
Im Rahmen der Nationalen Wasserstoffstrategie (NWS) und gemäß § 28r des EnWG-E haben die Fernleitungsnetzbetreiber (FNB) am 15. November 2023 der Bundesnetzagentur (BNetzA) einen Antragsentwurf für den Aufbau einer leistungsfähigen Wasserstoffnetzinfrastruktur vorgelegt.
Der Entwurf schlägt die Schaffung eines Wasserstoffnetzes mit einer Leitungslänge von 9.721 km vor. Das vorgeschlagene H2-Netz würde insgesamt über 13 Grenzübergangpunkte (GÜP) verfügen, die H2-Importe und -exporte bis zu einer Kapazität von 59 GWh/h ermöglichen sollen.
Es ist für eine Wasserstoff-Verbrauchsmenge im Umfang von 279 TWh ausgelegt. Das Wasserstoffnetz soll bis 2032 vollständig in Betrieb genommen werden. Im Auftrag der INES hat die Aurora Energy Research GmbH eine Kurzanalyse zum Antragsentwurf durchgeführt.
Aurora Energy Research: Nachfrageschätzungen deutlich geringer
Für die mittlere Perspektive bis 2030 weisen die Aurora-Szenarien Central1 und Net Zero2 mit 73 bzw. 123 TWh deutlich niedrigere Wasserstoffverbrauchsmengen aus, als für die H2-Netzplanung angenommen. Die Nachfrageschätzungen des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) in der Fortschreibung der Nationalen Wasserstoffstrategie (NWS) für 2030 fallen ebenfalls niedriger aus. Die NWS geht von einer Nachfrage zwischen 95 und 130 TWh im Jahr 2030 aus.
Zur vollständigen Deckung des Wasserstoffverbrauchs aus dem Central-Szenario sind gemäß Aurora-Kurzanalyse mittelfristig Importkapazitäten an Grenzübergangspunkten von circa 10 GWh/h erforderlich, welche jedoch um notwendige Redundanzen wie beispielsweise die N-1-Sicherheit ergänzt werden müssen. Somit beinhalten die vorgeschlagenen Importkapazitäten von 59 GWh/h eine signifikante Überbauung gegenüber den durchschnittlichen und notwendigen Kapazitäten in der mittleren Frist.
Perspektive bis 2050: mittelfristige Überbauung der H2-Infrastruktur durch FNB angestrebt
Letzten Verlautbarungen folgend, wird eine deutliche Überbauung der tatsächlichen Netzbedarfe bewusst angestrebt, um die notwendigen Netzinfrastrukturen bereits für spätere Wasserstoffbedarfe frühzeitig vorzubereiten.
In der langfristigen Perspektive bis 2050 weisen die Aurora-Szenarien Central und Net Zero mit 303 bzw. 562 TWh zwar deutlich höhere Wasserstoffverbrauchsmengen aus. Allerdings zeigt die weitergehende Analyse, dass im Central-Szenario trotzdem nur 28 GWh/h pipelinegebundene Importkapazitäten benötigt werden.
Selbst im Net Zero-Szenario liegen die benötigten Grenzübergangskapazitäten bei lediglich 52 GWh/h. Die Ergebnisse wurden zwar nicht im Rahmen einer hydraulischen Wasserstoffnetzmodellierung gewonnen, sie verdeutlichen aber, dass verschiedene Szenarien zu einem wesentlich niedrigeren Bedarf an Importkapazitäten führen könnten.
Zusammenfassung der Studienergebnisse
Aus der Kurzanalyse lässt sich laut Aurora schlussfolgern, dass die aktuelle Wasserstoffnetzplanung einer sehr unsicheren Planungsperspektive folgt. Der Markthochlauf für grünen Wasserstoff befindet sich noch in seinen Anfängen. Eine mittelfristige Überdimensionierung des Netzes könnte zwar vermeiden, dass infrastrukturelle Engpässe den Markthochlauf behindern. Angesichts der erheblichen Unsicherheiten in der Planung besteht damit aber auch das große Risiko nicht nur mittelfristig, sondern auch in der langen Frist Überkapazitäten zu schaffen.
Frederik Beelitz, Principal bei Aurora, fasst die Kurzanalyse wie folgt zusammen: „Auroras grobe Prüfung im Rahmen der Kurzanalyse zeigt, dass eine weitergehende detaillierte Analyse notwendig ist, um die Auswahl robuster Kernnetz-Bestandteile zu identifizieren und die Überbauung des Netzes und der Importkapazitäten zielgerichteter vorzunehmen. Die Nachfragevolumina und insbesondere das unterjährige Nachfrageprofil sollten dabei konkretisiert werden.“
Im Rahmen der Kurzanalyse wurde die Annahme der Wasserstoffnetzplanung der FNB übernommen, dass die Nachfrage eine starke Struktur aufweist. Ob die dafür erforderliche Flexibilität tatsächlich über Importe angeboten werden kann, ist ebenfalls mit großer Unsicherheit verbunden. Vor dem Hintergrund des großen geologischen Potenzials zur Wasserstoffspeicherung in Deutschland ist von einer stärker inländischen Bereitstellung von Flexibilität auszugehen.
Bei einer detaillierteren Analyse sollte daher eine stärkere Bereitstellung von Leistungen durch Speicher in Deutschland untersucht werden, um die Importkapazitäten der Grenzübergangspunkte und damit die Netzinvestitionskosten zu reduzieren.
Sebastian Heinermann, Geschäftsführer der INES kommentiert die Veröffentlichung der Aurora-Kurzanalyse mit folgenden Worten: „Angesichts der enormen Wasserstoffverbrauchsmengen scheint das Wasserstoff-Kernnetz vielmehr ein Wasserstoff-Zielnetz zu sein und die Wahrheit ist, dass wir das Ziel noch gar nicht genau sehen können. Die Aurora-Kurzanalyse führt uns vor Augen, wie groß die Unsicherheiten bei der Netzplanung derzeit noch sind und wie groß das Risiko ist, dass jetzt Überkapazitäten entwickelt werden, die vielleicht nie eine Auslastung erfahren.
Wir empfehlen deshalb, diejenigen Teile des Wasserstoffnetzes zu identifizieren, für die sich eine Relevanz über mehrere Szenarien ergibt. Für diese Netzteile erscheint eine Dimensionierung auf längerfristige Bedarfe sinnvoll.“
(Quelle: Initiative Energien Speichern e.V. - INES)